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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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an meinem Tee und konzentrierte mich auf
    die nächste Frage: Wer schrieb ›Die ägyptische Briefmarke‹?, als
    es erneut an die Tür klopfte.
    »So«, rief ich und marschierte zum Eingang. »Jetzt hab ich's
    aber satt!«
    Ich riss die Tür auf und brüllte: »Verdammte Hexen! Jetzt
    reicht's aber endgültig. Ich –«
    Dann blieb mir für eine Sekunde die Luft weg. Wer da stand,
    war Oma Next, meine Lieblingsgroßmutter. Wäre es Lord
    Nelson persönlich gewesen, hätte es mich auch nicht mehr
    überrascht.
    »Omilein?!« rief ich. »Wo kommst du denn her?«
    Wie üblich trug sie ein blau kariertes Kleid, einen blau karierten Mantel und Hut, blau karierte Schuhe und Strümpfe.
    Sogar die Handtasche war blau kariert. Es war spektakulär.
    Sie umarmte mich in der behutsamen Art älterer Damen,
    und ich roch Bodmin for Women. Eine ältere Dame war sie
    tatsächlich – mindestens 108, wenn ich richtig gezählt habe.
    »Ich bin gekommen, um mich ein bisschen um dich zu
    kümmern, mein Mädchen.«
    »Vielen Dank, Omi«, sagte ich und überlegte, wie sie wohl
    hierher gekommen sein könnte.
    »Du kriegst bald ein Kind, da brauchst du ein bisschen Fürsorge«, erklärte sie großspurig. »Mein Koffer steht auf dem
    Landesteg, und ich fürchte, du musst noch den Taxifahrer
    bezahlen.«
    »Natürlich«, murmelte ich und ging zur Straße hinauf, wo
    ein gelbes Taxi vom Gattungstransfer stand.
    »Wie viel?« fragte ich.
    »Siebzehn Shilling und Sixpence.«
    »Ach, ja?« sagte ich. »Da haben Sie wohl noch eine kleine Extra-Runde gedreht?«
    »Fahrten in den Brunnen kosten doppelt«, sagte der Fahrer.
    »Wenn's Ihnen nicht passt, sag' ich Jurisfiktion Bescheid. Sie
    werden schon sehen, was dann passiert. Ich hab' auch schon
    Heathcliff gefahren.«
    »Ach, wirklich?« sagte ich und gab ihm ein Pfund.
    »Ham' Sie's nich' kleiner? Kann leider nich' wechseln.«
    »Behalten Sie den Rest«, sagte ich. »Aber geben Sie mir eine
    Quittung.« Während er die Quittung schrieb, hörte ich, wie sein
    Fußnotofon brummelte. Eine Gruppe von zehn Personen aus
    dem Decamerone wollte dringend eine Landpartie machen.
    Sekunden später war er verschwunden. Ich schnappte mir
    Omas Überseekoffer und schleppte ihn in mein Flugboot.
    »Das sind ibb und obb«, sagte ich. »Zwei Rohlinge, die bei
    mir einquartiert sind. Der Linke ist ibb.«
    »Ich bin obb.«
    »Tut mir leid. Das ist meine Großmutter.«
    »Guten Abend«, sagte Granny Next und betrachtete meine
    Hausgäste.
    »Sie ist sehr alt«, stellte ibb fest.
    »Hundertundacht«, sagte Granny stolz. »Sagt mal, macht ihr
    noch was anderes als in der Gegend herumstarren?«
    »Nö, eigentlich nicht«, sagte ibb.
    »Plock«, sagte Pickwick, die den Kopf um den Türpfosten
    streckte, ihre Federn aufschüttelte und begeistert auf Granny
    zulief, von der sie wusste, dass sie immer ein paar Marshmallows einstecken hatte.
    »Wie ist das, wenn man alt ist?« fragte ibb, der sich die rosigen Falten in Grannys Gesicht ganz aus der Nähe ansah.
    »Das Alter ist die Jugend des Todes«, erläuterte Granny. »Aber wisst ihr, was das Schlimmste ist? Ich werde mein Begräbnis
    um drei Tage verpassen.«
    »Omi«, rief ich. »Bring sie nicht durcheinander!«
    Aber es war schon zu spät.
    »Wie können Sie denn Ihr Begräbnis verpassen?« fragte ibb.
    »Das ist doch nicht möglich.«
    »Denk doch mal nach«, sagte obb. »Wenn sie drei Tage länger leben würde, könnte sie die Rede bei ihrem Begräbnis selbst
    halten!«
    »Ja, natürlich. Wie dumm von mir«, sagte ibb.
    Damit verschwanden sie in der Küche, wo sie sich lautstark
    über die Frage unterhielten, wie man Liebesaffären zwischen
    Hausknecht und Küchenmädchen behandelt – die Ausgabe von
    Mrs. Beeton's Kochbuch war offenbar schon ziemlich alt.
    »Wann gibt's Abendbrot?« fragte Granny und musterte das
    Innere des Flugboots mit Skepsis. »Ich bin völlig verhungert.
    Aber bitte nichts Hartes. Die alten Beißerchen sind nicht mehr
    die besten.«
    Ich half ihr vorsichtig aus dem blau karierten Mantel und
    setzte sie an den Tisch. Steak Diane war garantiert zu zäh für
    sie, also machte ich ihr rasch noch ein Omelette.
    »So, Granny«, sagte ich und schlug ein Ei in die Pfanne.
    »Jetzt sagst du mir, was du hier eigentlich tust.«
    »Ich bin da, um dich an gewisse Dinge zu erinnern, die du
    sonst womöglich vergisst, kleine Thursday.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Na, Landen zum Beispiel. Weißt du, mein Ehemann ist damals auch genichtet worden, und

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