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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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und wieder einschlief.
    »Das war schon sehr nett«, sagte ich. »Das nächste Mal behandeln wir Subtext.«
    Kurz darauf zogen ibb und obb sich zurück, und ich hatte
    endlich Gelegenheit, Granny danach zu fragen, wie es zu Hause
    in Swindon aussah. Meiner Mutter ging es gut, wie es schien,
    und Joffy, Wilbur und Orville waren so verrückt wie immer.
    Weniger gut waren die politischen Nachrichten: Yorrick Kaine
    war kurz nach dem Zwischenfall mit dem Glatisant wieder
    aufgetaucht. Seinen Sitz im Parlament hatte er aufgeben müssen, aber er war nach wie vor Chef einer der mächtigsten Zeitungen. Ich wusste, dass er fiktiv war und eine Gefahr für meine
    Welt darstellte, aber daran ließ sich nichts ändern, solange ich
    in Caversham Heights war. Wir redeten bis tief in die Nacht
    über die BuchWelt, Landen, Nichtungen und Kinderkriegen.
    Granny hatte drei Töchter und Söhne und kannte sich aus. Mit
    einer gewissen sadistischen Freude erzählte sie mir von all den
    schrecklichen Dingen, über die einem sonst keiner was sagt,
    wenn man sich darauf einlässt.
    »Geschwollene Knöchel und Krampfadern musst du als Errungenschaften und Ehrenzeichen betrachten«, erklärte sie
    fröhlich.
    Als wir schließlich zu Bett gingen, überließ ich Granny mein
    eigenes Zimmer und schlief in dem großen Doppelbett unter
    dem Flugdeck. Das heißt, lange Zeit schlief ich überhaupt nicht.
    Ich starrte an die Decke, wo die Wellen und das Mondlicht
    eigenartige Schattenspiele erzeugten, ich dachte an meinen
    Vater und Emma Hamilton, an Jack Spratt und ans Kinderkriegen. Aber ich machte mir auch große Sorgen um Caversham
    Heights. Was sollte aus seinen Bewohnern, und was sollte aus
    mir und dem Baby werden, wenn der Roman tatsächlich für
    schlecht befunden und demoliert wurde? Mein Aufenthalt an
    diesem stillen Gewässer konnte gefährlicher werden, als ich
    gedacht hatte.

    4.
    Landen Parke-Laine
    Es heißt, dass niemand wirklich stirbt, solange man ihn
    nicht vergisst, und im Falle Landens galt das ganz besonders. Seit er genichtet worden war, konnte ich ihn nur in
    meinen Erinnerungen und Träumen ins Leben zurückrufen,
    und deshalb freute ich mich immer, wenn ich ins Bett gehen
    und an ihn denken konnte, weil ich hoffte, dass ihn meine
    Träume – wenn auch nur flüchtig – zurückbringen würden.
    Landen war mit mir auf der Krim gewesen. Eine Landmine
    hatte ihn sein Bein gekostet, und seinen besten Freund kostete ein taktischer Fehler das Leben.
    Sein bester Freund, das war mein Bruder Anton gewesen,
    und Landen hatte bei der Untersuchung nach dem ›Untergang der Leichten Brigade‹ im Jahre 1973 gegen ihn ausgesagt. Landen wurde ehrenhaft entlassen, und ich erhielt das
    Krim-Ehrenkreuz, aber meinem Bruder gab man die Schuld
    an der Katastrophe. Zehn Jahre hatte ich mit Landen nicht
    mehr gesprochen, und vor zwei Monaten hatte ich ihn geheiratet. Manche Leute sagten, es sei eine ungewöhnliche
    Liebesgeschichte gewesen – aber mir selbst ist das nie aufgefallen.
THURSDAY NEXT
    – Die Jurisfiktion-Aufzeichnungen

    In dieser Nacht kehrte ich zurück auf die Krim. Man sollte
    meinen, dass es bessere Schauplätze für meine Träume gab,
    denn dieses über hundert Jahre alte Schlachtfeld war für die
    meisten Engländer eine ständige Quelle für Leid, Schmerz und
    Tod. Für mich aber war es der Ort, wo ich Landen kennen
    gelernt hatte. Wir hatten uns dort verliebt, und deshalb waren
    mir die Erinnerungen daran unendlich teuer. Umso mehr, als
    meine Erlebnisse auf der inzwischen endgültig russischen
    Halbinsel nach Landens Nichtung nur noch in meiner Erinnerung existierten.
    Als ich im Mai 1973 dort eintraf, war auf der umkämpften
    Halbinsel seit zehn Jahren kaum noch ein Schuss gefallen,
    obwohl der Krieg schon seit 120 Jahren andauerte. Ich gehörte
    als Panzerfahrerin zur Third Wessex Light Armored Brigade. Ich
    war dreiundzwanzig Jahre alt und kutschierte unter dem Kommando von Major Phelps, der später bei einem missglückten
    Angriff auf das Zentrum der russischen Artillerie seinen Unterarm und seinen Verstand verlieren sollte, mit dreizehn Tonnen
    Panzerstahl durch die Gegend. In meinem jugendlichen Leichtsinn hatte ich gedacht, ein Einsatz auf der Krim würde mir Spaß
    machen, aber diese Vorstellung sollte sich bald ändern.
    »Melden Sie sich morgen um acht Uhr beim Fuhrpark«, sagte mir Feldwebel Tozer eines Tages. Den Angriff der Leichten
    Brigade sollte er überleben, aber dafür starb er acht Jahre später
    bei

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