03_Im Brunnen der Manuskripte
ab ging.
»Was ist los?« fragte ich.
»Es geht um Lola!«
»Hat sie sich schon wieder mit einem unpassenden jungen
Mann eingelassen? Wirklich, Randolph, du musst endlich
lernen, mit deiner Eifersucht fertig zu –«
»Nein«, sagte er rasch, »darum geht's gar nicht. Mädchen
müssen bloß zugreifen hat keinen Verleger gefunden, und der
Autor hat in besoffenem Zustand das einzige Manuskript
angezündet. Deshalb ist Lola gestern nicht bei der Preisverleihung gewesen!«
Ich blieb abrupt stehen. Wenn ein unveröffentlichtes Manuskript im Außenland zerstört wurde, kamen die Figuren und
Situationen über kurz oder lang zur Auktion.
»Genau!« sagte Randolph, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Sie wollen Lola versteigern!«
Ich zog mich eilig um, und wir kamen gerade rechtzeitig, um
zu sehen, wie die Versteigerung des Romans zum Abschluss
gebracht wurde. Die meisten beschreibenden Szenen waren
schon weg, die witzigen Dialoge und der ganze »FrecheFrauen«-Jargon waren gebündelt im Ganzen verkauft worden.
Die teuren Autos, die ausführlich beschriebenen Kleider und
auch der größte Teil der extravaganten Möbel hatten schon
Interessenten gefunden. Ich drängte mich nach vorn durch und
fand Lola niedergeschlagen auf ihrem Koffer sitzend am Rande
der Bühne.
»Lola!« rief Randolph, und sie umarmten sich innig. »Ich habe Thursday mitgebracht, um dir zu helfen.«
Sie sprang auf und lächelte, aber es war ein ziemlich verzweifeltes Lächeln.
»Komm«, sagte ich und fasste sie an der Hand. »Wir hauen
hier ab!«
»Augenblick mal!« sagte ein großer Mann mit einem makel-losen grauen Anzug. »Sie können hier keine Waren mitnehmen,
die noch nicht bezahlt sind.«
»Sie gehört zu mir«, sagte ich, während wie aus dem Nichts
mehrere stämmige Rausschmeißer aufgetaucht waren und sich
um uns herumstellten.
»Nein«, sagte der Auktionator. »Sie ist Stück Nr. 79. Sie können gern mitbieten, wenn Sie wollen.«
»Ich bin Thursday Next, die designierte Protokollführerin,
und ich sage Ihnen: Lola gehört zu mir.«
»Ich weiß, wer Sie sind, und ich schätze Ihren Einsatz durchaus. Aber Geschäft ist Geschäft. Sie können die Dame mitnehmen, aber erst, wenn sie die Versteigerung hinter sich hat und
Ihr Gebot das höchste gewesen ist.« Ich warf ihm einen drohenden Blick zu. »Es wird mir ein Vergnügen sein, diesen üblen
Handel verbieten und Ihr Geschäft schließen zu lassen.«
»Ach, wirklich? Mir zittern schon richtig die Knie. Also, was
ist, wollen Sie sich an die Geschäftsbedingungen halten und
mitbieten? Oder soll ich Sie von der Versteigerung ausschließen
und das Stück zum Privatverkauf anbieten?«
»Das ist kein Stück!« knurrte Randolph. »Das ist Lola, und
ich liebe sie.«
»Sie brechen mir das Herz. Bieten Sie mit oder verpissen Sie
sich. Es liegt ganz bei Ihnen.«
Randolph wollte dem Auktionator eine rechte Gerade aufs
Kinn setzen, aber einer der Rausschmeißer fing den Schlag ab
und hielt Randolph fest.
»Bringen Sie Ihren Rohling unter Kontrolle oder ich werfe
Sie beide hinaus! Verstanden?«
Randolph nickte, und der Rausschmeißer ließ ihn los. Wir
standen jetzt direkt vor der Bühne und sahen zu, wie Lola still
in ihr Taschentuch heulte.
»Meine Damen und Herren. Stück Nr. 79. Hübscher weiblicher Rohling der Klasse B-3. Ausweisnummer TSI-1404912-A,
willig und attraktiv. Die Gelegenheit, so eine unterhaltsame und
höchst pneumatische junge Dame zu erwerben, gibt es nicht oft.
Ihr bemerkenswerter Appetit auf Sex, ihre angenehme Beschränktheit und ihre gewinnende, mit unermüdlicher Energie
gepaarte Unschuld machen sie für ›gewagte‹ Romane besonders
geeignet. Was höre ich für Gebote?«
Es war übel. Ganz übel. Ich wandte mich an Randolph. »Hast
du Geld dabei?«
»Vielleicht einen Zehner.«
Die Gebote standen bereits über tausend. Ich hatte nicht mal
ein Zehntel davon, weder hier noch zu Hause. Die Gebote
stiegen rasch, und Lola wurde von Sekunde zu Sekunde unglücklicher. Bei diesen Summen würde sie wahrscheinlich nicht
nur für ein Buch, sondern für eine ganze Serie herhalten müssen – einschließlich der Filmrechte. Mir schauderte. »Ich sehe
sechstausend!« sagte der Auktionator, während die Gebote
zwischen zwei bekannten Mädchenhändlern hin und her gingen. »Wer bietet mehr?«
»Siebentausend!«
»Acht!«
»Neun!«
»Ich kann das nicht mit ansehen«, sagte Randolph, während
die Tränen ihm übers Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher