03_Im Brunnen der Manuskripte
zu.
»Was hat man Ihnen bezahlt?«
»Bestechung war gar nicht nötig. Geld bedeutet mir wenig.
Nein, was mich begeistert, ist die Technologie. Sie ist viel zu
perfekt, um von Leuten wie Ihnen ins Abseits gestellt zu werden. Ich werde hundertprozentige Kontrolle habe. Alles wird
durch TGC geleitet. Kein Chaos mehr im Brunnen der Manuskripte, keine Rohlinge, kein GattungsRat, keine Streiks von
unzufriedenen Kinderreim-Charakteren. Und wissen Sie, was
das Beste ist? Keine Autoren mehr. Keine verpassten Termine.
Keine mittelmäßigen zweiten Bücher mehr – jedes Buch wird
genauso gut wie das letzte. Wenn ein Verleger einen Bestseller
will, braucht er bloß unseren Generalvertreter im Außenland
anzurufen!«
»Und das ist Yorrick Kaine«, murmelte ich.
»Allerdings. Alles bestens geregelt, mein Schätzchen.«
Unglaublich. Es war noch schlimmer, als ich gedacht hatte.
Es war, als ob die Farbfabriken und die Kunstgalerien fusioniert
hätten.
»Aber die Bücher!« rief ich. »Die werden doch fürchterlich
sein!«
»In ein paar Jahren merkt das kein Mensch mehr«, sagte Libris. »Herr Protokollführer, zum letzten Mal, gehen Sie jetzt mit
uns konform oder nicht?«
»Ich würde lieber sterben!« rief er vor Empörung zitternd.
»Wie Sie wollen«, erwiderte Libris und stellte das Mikrofon
wieder an.
Man hörte ein kurzes knisterndes Geräusch, und der Protokollführer schien zu erstarren.
»So«, sagte Libris. »Lassen Sie uns jetzt zum Schluss kommen. – Protokollführer, würden Sie Miss Nexts Behauptungen
bitte Punkt für Punkt widerlegen?«
»Mit Vergnügen«, sagte der Protokollführer tonlos.
Ich wandte mich zu ihm um und sah voller Entsetzen, dass
seine Gesichtszüge zur bloßen Maske erstarrt waren. Er sah wie
eine dreidimensionale Sprechpuppe aus. Allerdings schien das
nur mir aufzufallen, weil ich nahe genug war – die Zuschauer
merkten von der Veränderung gar nichts. Starker Melonengeruch wehte über die Bühne.
»Freunde!« sagte der Protokollführer. »Miss Next befindet
sich völlig im Irrtum …« Ich wandte mich zu Libris um und sah
ihn triumphierend lächeln.
Jetzt griff ich nach meiner Pistole, aber die war zu Marmelade geworden.
»Na so was!« flüsterte Libris. »Das ist eine BuchWelt-Pistole.
Die unterliegt unserer Kontrolle. Tut mir ja leid, dass Sie Ihren
hübschen Browning aus dem Außenland bei Ihrer Rauferei mit
Tweed eingebüßt haben!«
Mir blieb nur noch ein einziger Trumpf. Ich zog mein JurisfiktionBuch heraus, überblätterte die Seiten mit dem TextMarker und die mit dem SchleuderHelm, bis ich zum rot lackierten
Feuermelder hinter der Glasscheibe kam. Die Aufschrift war
noch immer die Gleiche: IM ÄUSSERSTEN NOTFALL
SCHEIBE EINSCHLAGEN. Wenn das kein äußerster Notfall
war, dann wusste ich echt nicht, was einer sein sollte. Ich zertrümmerte die Scheibe und zog mit aller Kraft den roten Handgriff herunter.
34.
Lose Enden
Im Gegensatz zu den Behauptungen von TextGrandCentral
brachte UltraWord™ keinerlei neue Plotts mit sich. ExWortmeister Libris war so besessen von seinem Betriebssystem, dass ihm alles andere egal war. Er wurde bei zahlreichen Lügen ertappt und schließlich vom GattungsRat in
Gewahrsam genommen. BOOK V8.3 blieb weiterhin das
gültige Betriebssystem. Nur eine UltraWord™-Kopie des
Kleinen Prinzen blieb erhalten und befindet sich im Jurisfiktion-Museum. Um eine solche Beinahe-Katastrophe und
ähnliche Eigenmächtigkeiten von TextGrandCentral dauerhaft zu verhindern, griff der GattungsRat zu seinem schärfsten Mittel: Er unterstellte TextGrandCentral einer interfraktionellen Arbeitsgruppe aus allen Provinzen, um jede weitere Initiative im Keim zu ersticken.
MILLION DE FLOSS
– UltraWord™ – der Epilog
Es war schon fast Morgen, als die Große BuchWeltPreisParty
schließlich ihr Ende fand. Heathcliff war stinksauer, weil man in
der ganzen Aufregung am Ende doch vergessen hatte, ihm den
Preis zu geben. Noch eine Stunde nach dem Erscheinen des
Großen Panjandrum sah ich ihn wütend auf seinen persönlichen Irryaginator einreden. Natürlich hatte er gute Chancen,
den Preis im nächsten Jahr zu gewinnen, aber sein »77-Jahre-inFolge«-Rekord war gebrochen. Wahrscheinlich würde er seine
Wut am Ende wieder einmal an Linton und Catherine auslassen.
Niemand war überraschter als ich, dass der Große Panjandrum erschien, als ich die Notbremse zog. Es war ein Riesenschock für die Ungläubigen, aber auch die Gläubigen
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