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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Eingangstür zu einem Beistelltisch, dessen Funktion ich später kennen lernen sollte. Angesichts seiner beschränkten Fähigkeiten kam ich zu dem Ergebnis, dass Mr Phillips wohl höchstens eine C-9-Figur war. Das
    erklärte wahrscheinlich, warum es so schwer war, ihn zu irgendwelchen Besonderheiten zu überreden.
    »Wir haben unsere Vorschriften«, erklärte er, »und daran
    lässt sich nichts ändern.«
    Er ging über den ausgetretenen Teppich zu seinem Schreibtisch zurück, drehte sich zu mir um und drohte mir mit dem
    Finger.
    »Und eins kann ich Ihnen sagen: Wenn Sie bei der Auktion
    irgendwelche krummen Dinger versuchen, kann ich Ihre Gebote ohne weiteres ablehnen.«
    Wir starrten uns reglos an. So funktionierte es offenbar nicht.
    »Tee und Kekse?« fragte der Auktionator und ging wieder
    zum Fenster.
    »Vielen Dank.«
    »Wunderbar!« Er rieb sich die Hände und kehrte zu seinem
    Schreibtisch zurück. »Es heißt, es gebe nichts Besseres als eine
    schöne Tasse Tee!« Er schaltete die Sprechanlage ein und sagte:
    »Miss Pittman, würden Sie uns bitte etwas Tee bringen?«
    Sofort sprang die Tür auf, und seine Sekretärin erschien. Sie
    war Ende zwanzig, eine typische »Englische Rose« mit ihrem
    sommerlichen Blumenkleid und einer langen Strickjacke. Sie
    trug ein Tablett mit eine Teekanne, Tassen und Keksen.
    Miss Pittman folgte getreulich der glatt getretenen Spur auf
    dem Teppich von der Tür zum Beistelltisch. Sie stellte das
    Tablett neben einem anderen ab, das offenbar von einem früheren Besuch herrührte, und machte einen Knicks in Richtung
    von Mr Phillips. Dann nahm sie das alte Tablett und warf es
    zum Fenster hinaus. Ich hörte das Geschirr klirren und erinnerte mich zugleich, dass ich mich über den Haufen kaputter
    Tassen und Kannen neben der Haustür gewundert hatte, als ich
    hereinkam.
    Die Sekretärin drückte die Hände zusammen und fragte errötend: »Darf ich – darf ich Ihnen einen Schluck eingießen?«
    »Danke!« rief Mr Phillips und lief aufgeregt zwischen Fenster
    und Schreibtisch hin und her. »Milch und –«
    »Ein Stück Zucker«, lächelte die Sekretärin schüchtern. »Ja, ja
    – ich weiß.«
    »Aber natürlich!« lächelte Mr Phillips zurück. »Natürlich
    wissen Sie das!«
    Dann kam die nächste Stufe der eigenartigen Scharade. Der
    Auktionator und seine Sekretärin gingen zu der Stelle, wo sich
    ihre eingespurten Pfade am nächsten kamen, den äußersten
    Punkten ihres Lebens und ihrer Geschichte. Miss Pittman fasste
    die Untertasse am Rand und beugte sich so weit vor, wie sie
    konnte. Auch Mr Phillips ging bis zum äußersten Rand des
    ausgetretenen Wegen und reckte sich ihr entgegen. Aber sosehr
    er sich auch bemühte, seine Finger verfehlten die Untertasse um
    zwei Zentimeter. Er konnte sie nicht erreichen.
    »Erlauben Sie?« sagte ich, um dem grausamen Schauspiel ein
    Ende zu machen, nahm die Tasse der jungen Frau aus den
    Händen und reichte sie Mr Phillips.
    Wie viele Tassen Tee wohl in diesem Büro schon erkaltet waren in den vergangenen fünfunddreißig Jahren? Wie unüberwindlich die anderthalb Meter Teppich für die beiden wohl sein
    mochten? Wer immer dieses Buch entworfen hatte, da unten im
    Brunnen, er musste einen grausamen Sinn für Humor haben.
    Miss Pittman knickste erneut und verschwand, während der
    Auktionator ihr nachsah. Er setzte sich an seinen Schreibtisch
    und betrachtete durstig den Tee. Schließlich leckte er sich die
    Lippen, rieb sich erwartungsvoll die Fingerspitzen, griff nach
    der Tasse und trank ein winziges Schlückchen.
    »Oh, mein Gott!« sagte er überglücklich. »Das ist ja noch
    besser, als ich gedacht habe.«
    Er nahm einen weiteren Schluck und schloss vor Entzücken
    die Augen. Ich setzte mich ihm gegenüber.
    »Wo waren wir stehen geblieben?« fragte er schließlich.
    Ich holte tief Luft. »Ich möchte, dass Sie die Schweine von
    Johnnys Vater an einen angeblich unbekannten Bieter verkaufen – und zwar so nahe an der fünften Zeile von oben auf Seite
    zweihundertzweiunddreißig wie möglich.«
    »Das geht überhaupt nicht. Sie erwarten von mir, dass ich die
    Handlung verändere. Das muss ich meinen Vorgesetzten melden.«
    Ich legte meinen Jurisfiktion-Ausweis auf seinen Schreibtisch. Ich hatte eigentlich nicht vor, meine Befugnisse auszuspielen aber er brachte mich echt zur Verzweiflung.
    »Ich bin in offiziellem Auftrag hier, um eine vom GattungsRat beschlossene HandlungsAnpassung vorzunehmen«, erklärte
    ich. So ähnlich,

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