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03 - komplett

03 - komplett

Titel: 03 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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Einzelheiten des Überfalls mehr. Mit der Zeit wird die Erinnerung vielleicht zurückkehren. Die Zeit heilt alle Wunden, so sagt man doch.“
    Sylvie senkte gedankenverloren den Blick. Konnte John sich wirklich nicht erinnern?
    Oder hatten ihn Hugos Drohungen zum Schweigen gebracht? Versuchte John etwa, sie zu schützen, indem er die Identität seines Angreifers geheim hielt? Die einzige Möglichkeit, Antworten auf diese Fragen zu bekommen, war nach Hertfordshire zurückzukehren und darum zu bitten, ihn sehen zu dürfen. Sie atmete seufzend aus, als sie sich fragte, ob Johns Eltern ihr wohl gestatten würden, ihn zu besuchen.
    „Habe ich Ihnen etwa schon wieder Kummer bereitet?“, fragte Guy mit unglücklichem Blick, als er ihren traurigen Seufzer vernahm.
    Sylvie ergriff seinen Arm. Sie wollte ihm versichern, dass dies nicht der Fall war, doch ihre Worte gingen im Streit einiger lärmender Spaziergänger unter, die gefährlich schwankend geradewegs auf sie zukamen.
    Menschen aller gesellschaftlichen Kreise besuchten die Vauxhall Gardens, die jetzt im Frühling besonders einladend wirkten. Reiche Aristokraten schlenderten mit ihren eleganten Gemahlinnen ebenso auf den Wegen wie bescheidene Arbeiter mit ihren Ehefrauen im Sonntagsstaat. Das beruhigende Plätschern eines Wasserfalls war zu hören, und in der Ferne erklang eine Walzermelodie.
    Guy verlangsamte seinen Schritt, um das geschäftige Treiben zu betrachten. Er hob eine Augenbraue. „Wie schön, dass die Menschen Freude haben“, sagte er beiläufig.
    Sylvie schenkte ihm ein Lächeln. Sie konnte ihn immer besser leiden, wurde ihr plötzlich bewusst. Er war ein netter Mensch, der, so glaubte sie, ein unerschütterlich loyaler und treuer Gatte sein würde. Aber Guy hatte seinen impulsiven Antrag bisher nicht wiederholt, und sie schreckte davor zurück, sie beide in Verlegenheit zu bringen, indem sie ihn daran erinnerte. Außerdem würde Hugo Robinson seine Drohung sicher wahr machen und jedem potenziellen Bräutigam verraten, dass sie mit einem Mann davongelaufen war. Es wäre ihr verhasst, wenn Guy für seine Gutmütigkeit verhöhnt werden würde. Während sie in freundschaftlichem Schweigen flanierten, fragte sich Sylvie, wie Guy wohl reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sie kompromittiert war. Er würde sie nicht schneiden, dessen war sie sich sicher. Vermutlich würde er eher die Rolle des Ritters spielen und ihr seine Dienste anbieten.
    Tapfer überwand sie den Drang, ihm auf der Stelle einen Antrag zu machen und sich seines Schutzes zu vergewissern. Es musste eine andere Lösung für ihre missliche Lage geben. Wenn sich jedoch vor Samstag keine fand, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als June und William von den Qualen zu erzählen, die Hugo ihr und John bereitet hatte, und sie bei Gott schwören zu lassen, ihren Eltern nichts davon zu berichten, damit sie sich nicht aufregen mussten. Der Schuft hatte ihr Zeit bis Samstag gelassen, um über seinen Vorschlag nachzudenken, und sie nahm an, dass er sich daran halten würde.
    Sie atmete tief ein, während ihre Gedanken wieder zu der Demütigung zurückkehrten, die sie von anderer Seite nur wenige Stunden zuvor erlitten hatte.
    Mit kindlichem Vertrauen hatte sie all ihre Hoffnung auf den Mann gesetzt, den sie für ihren Helden hielt. Sie hatte ihren Stolz heruntergeschluckt und sich selbst erniedrigt. Doch er hatte mit schierer Grausamkeit seinen wahren Charakter offenbart und sie verspottet – sie beleidigt. Sie fühlte sich wie eine Närrin, dass sie geglaubt hatte, sie sei etwas Besonderes für ihn. Nun wusste sie genau, was Lord Rockingham von ihr hielt. Und nun wusste sie auch, was sie von ihm hielt.
    Dieser abscheuliche Mann! Sylvie kochte innerlich, doch sie war gleichzeitig auch wütend auf sich selbst. Naiverweise hatte sie geglaubt, dass er sie trotz ihrer Differenzen und Streitigkeiten vor Hugo retten würde. Und während sie allein mit ihm in der Kutsche saß und ihren Ruf erneut aufs Spiel gesetzt hatte, was bereitete ihm da die größte Sorge?
    Ein Kuss! Sylvie spürte, wie die Wut ihre Kehle zuschnürte, weil er sich allein von seiner Lust leiten ließ. Eigentlich sollte sie das nicht überraschen. Die Townsends waren schon seit eh und je als Lebemänner und Schürzenjäger berüchtigt. Ihre Tante Phyllis Chamberlain hatte sogar einmal behauptet, zu ihren Ahnen hätten auch Freibeuter gezählt. Zwar neigte Tante Phyllis gelegentlich zu Ausschmückungen, aber Sylvie bezweifelte, dass

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