03 - komplett
Treppengeländer und nahm entschlossen die nächste Stufe. Nach zwei weiteren fühlte sie sich schon besser und erholte sich weit genug, um die feuchten Wimpern zu öffnen. Es war keine Schande, unbegleitet einen Raum zu betreten, sondern einfach nur ein ungewohnter Umstand für sie.
Nach einem tiefen Atemzug warf sie entschlossen das Haar zurück, das im Schein der unzähligen Kerzen schimmerte wie gesponnenes Gold.
Sie sah auf und schnappte hörbar nach Luft. Betroffen blieb sie einen Moment regungslos, doch dann wich sie seitlich aus und hielt sich am anderen Geländer fest.
Sie klammerte sich daran, als hinge ihr Leben davon ab, und stieg weiter die Stufen nach oben, während sie mit verschwommenem Blick die Gemälde an der Wand anstarrte – offenbar Williams Ahnengalerie. Aus dem Augenwinkel allerdings konnte sie sehen, dass ein gewisser Gentleman mit ihr Schritt hielt, immer ein paar Stufen über ihr. Schließlich, als wäre er es leid, die Treppe rückwärts hinaufgehen zu müssen, hielt er auf sie zu. Er kam ihr so nahe, dass Rachel gezwungen war stehen zu bleiben und sich verzweifelt die Tränen fortwischte, während sie immer noch unverwandt das Porträt eines besonders furchterregenden Ahnen in voller Rüstung musterte.
„Wollen wir es hinter uns bringen?“
„Wie bitte?“
„Ich sagte, wollen wir es hinter uns bringen?“
„Die Worte habe ich gehört, Sir. Ihr Sinn ist es, der mir leider nicht einleuchtet.“
Da es seltsam erscheinen mochte, wenn man sie mit einem Gemälde sprechen sah, drehte Rachel sich abrupt um und lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer.
Mutig blickte sie Connor Flint ins Gesicht. Er sah gut aus, das musste sie ihm lassen.
Und sehr imposant, sogar auf beängstigende Weise. Rachel erinnerte sich nicht, sich in seiner Nähe je eingeschüchtert gefühlt zu haben. Jetzt allerdings schon. Oder vielleicht fühlte sie sich auch einfach nur töricht, weil sie ohne Grund geweint hatte.
Doch nun würde sie nicht mehr weinen. Nicht vor ihm.
Ein leises Lächeln erschien um seine Mundwinkel, und er machte eine Kopfbewegung, mit der er auf den Treppenabsatz über ihnen deutete. „Über hundert Menschen warten heute Abend voller Ungeduld auf einen Zwischenfall, über den sie sich morgen den Mund zerreißen können. Und sie hätten es gern, wenn es bei diesem Zwischenfall um Sie und mich ginge.“
„Nun, sie werden sich mit Ihnen und Ihrer ... Ihrer Freundin zufriedengeben müssen, die sehr gut singen soll, wie ich höre. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, ich möchte ihr gern lauschen“, verkündete Rachel energisch, hob ihren Rocksaum an und setzte ihren Weg fort. Bevor sie drei Stufen genommen hatte, wurde sie wieder aufgehalten. Er hatte die Hand auf das Geländer gelegt, und sein starker Arm knapp vor ihrer Brust verhinderte jeden weiteren Schritt.
„Seien Sie vernünftig, Miss Meredith. Es braucht nur fünf oder zehn Minuten zu dauern. Eine kurze höfliche Unterhaltung, ein Lächeln. Vielleicht bringen wir es sogar über uns, zusammen zu tanzen und sie damit wirklich zu verwirren.“
Rachel schluckte mühsam, wandte sich ihm dann aber wieder zu und sah ihm ruhig ins Gesicht. Sein Vorschlag war vernünftig. Trotz ihrer inneren Erregung war ihr das bewusst. Man würde ständig über das gute oder weniger gute Verhältnis tuscheln, das sie zueinander haben mochten, es sei denn sie machten dem durch ihre offensichtliche Gleichgültigkeit dem anderen gegenüber ein Ende.
Was hätte sie schon zu verlieren, wenn sie sich den Anschein gab, zwanglos mit diesem Mann zu plaudern, dem sie einst am Abend vor ihrer Hochzeit den Laufpass gegeben hatte? „Ich glaube, mein Vater war so freundlich und gab Ihnen die Gelegenheit, jeden Klatsch über eine anhaltende Verbitterung zwischen uns beiden im Keim zu ersticken. Hat er Sie nicht zur Hochzeit meiner Schwester im nächsten Monat eingeladen?“
„Das wäre erst im nächsten Monat. Jetzt ist jetzt. Warum so lange warten?“
„In der Tat, warum?“, wiederholte Rachel nach einer Weile leise. Zunächst glaubte sie, er würde es dabei belassen und gehen. Doch sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich weich, und er lächelte. In einer Geste, die Rachel unter den Umständen seltsam versöhnlich erschien, begab er sich herunter auf ihre Stufe, statt zu erwarten, dass sie ihm entgegenkam. Seine Verbeugung fiel allerdings etwas spöttisch aus. Nach kaum merklichem Zögern legte Rachel die Hand auf seinen Arm und erlaubte Connor Flint
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