03 - komplett
somit zum ersten Mal nach sechs Jahren, sie auf einer Gesellschaft zu begleiten.
4. KAPITEL
Die ersten Menschen, die Rachel bemerkte, als sie mit Connor das Musikzimmer betrat, waren ihre Eltern, noch immer in ein freundschaftliches Gespräch mit Mrs.
Pemberton vertieft. Rachel wusste genau, wann ihre Mutter sie entdeckte, denn in dem Augenblick hörte sie auf zu reden und starrte sie ungläubig an. Pamela Pemberton sah über die Schulter, um zu erforschen, was denn so erstaunlich sein mochte. Allerdings wurde ihr die Sicht von einer Gruppe junger Damen versperrt, die gerade jetzt vorbeikamen. Rachel war erleichtert über den Aufschub, wusste aber, dass sie nicht ewig ihrer Aufmerksamkeit würde entgehen können.
Ihr Vater war sich der Situation natürlich nicht bewusst, da er nicht auf das Geplapper der Damen geachtet hatte, sondern auf sein eigenes Gespräch. Er stand zwar neben seiner Frau, unterhielt sich aber mit einem Gentleman, der im Grunde zu einer anderen Gruppe gehörte. Die beiden Männer sprachen zwar miteinander, ließen den Blick jedoch durch den Raum schweifen, als nähmen sie den anderen nicht wirklich wahr. Rachel erkannte gleich darauf, dass es sich bei dem anderen Herrn um den Schwager ihres Vaters handelte.
Nathaniel Chamberlain hatte Papas Schwester Phyllis geheiratet, die sich seit dem Skandal damals geweigert hatte, etwas mit ihrem Bruder oder seiner Familie zu tun zu haben. Phyllis war sehr stolz darauf gewesen, ihre Nichte mit dem Sohn einer ihrer Bekannten zusammengebracht zu haben.
Rachels Gewissen regte sich. Weil sie den Mann an ihrer Seite kurz vor der Hochzeit verlassen hatte, mussten diese beiden einst so guten Freunde sich auf so heimliche Weise miteinander unterhalten.
Bei einem der langweiligen Tanzabende der Chamberlains war sie, damals neunzehn Jahre alt, dem gut aussehenden jungen Major vorgestellt worden. Wie alle Debütantinnen in jenem Jahr hatte sie ihn hinreißend gefunden mit seinem schwarzen Haar, den blauen Augen und dem melodiösen irischen Akzent.
Entschlossen sah sie sich um. Zurzeit spielte sie nur eine Nebenrolle, doch schon bald würde man ihr die Hauptrolle in dieser albernen Gesellschaftskomödie übertragen. In unruhiger Erwartung dessen, was sie erwartete, empfand sie alles um sich herum stärker als sonst. Vor allem die Parfümdüfte der Damen verursachten ihr leichtes Kopfweh.
Signorina Laviola stand auf einem kleinen erhöhten Podium, Notenblätter in der Hand und offenbar bereit, mit dem Liederabend zu beginnen. Rachel fiel auf, dass Lord Harley und seine Freunde sich ganz in der Nähe der Sopranistin aufhielten – wie treue Schoßhündchen. So schenkte Maria ihnen denn auch zur Belohnung hin und wieder ein Lächeln. Doch dann blieb ihr Blick an ihrem Geliebten haften, und sie kniff leicht die Augen zusammen. Ah, nun hat sie mich erkannt, dachte Rachel und erinnert sich an den Zwischenfall mit den Kutschen. Wahrscheinlich fragt sie sich nun, warum der Earl schon zum zweiten Mal in dieser Woche mir so viel Aufmerksamkeit zuteil werden lässt, überlegte Rachel. Sie erwiderte ihren herausfordernden Blick einen Moment ungerührt und wandte dann gelassen den Kopf.
Doch das war nur der Anfang. Wohin sie jetzt auch schaute, wurde sie einer eingehenden Musterung unterzogen. Insgeheim wünschte sie, sie hätte Connors Vorschlag nicht zugestimmt. Plötzlich kam ihr die Idee überhaupt nicht mehr so gut vor.
Als sie dann Pamela Pembertons fassungslosen Gesichtsausdruck sah, sobald sie sie an der Seite des Earls entdeckte, verlor Rachel endgültig die Fassung. Gerade eben gelang es ihr noch, die Hand auf den Mund zu pressen und so das Lachen, das in ihr aufstieg, zu unterdrücken.
Connor beugte den Kopf, um ihr ins abgewandte Gesicht zu sehen, und sie hörte ihn erleichtert aufatmen. „Einen Augenblick dachte ich, Sie weinen schon wieder. Was ist denn so komisch, dass es Ihre Tränen in Lachtränen verwandeln kann?“
Rachel wollte sich auf keinen Fall eine Blöße vor ihm geben. Stolz hob sie das Kinn und erwiderte kühl: „Ich habe nicht geweint. Sie irren sich, Sir.“
„Schön, Sie haben nicht geweint. Lassen Sie uns nicht darüber streiten, sonst glaubt keiner an das Märchen von unserer Versöhnung.“ Nach einem unauffälligen Seitenblick fuhr er fort: „Man hat uns bemerkt, also setzen Sie eine gelassene Miene auf. Soll ich Sie jetzt zu Ihren Eltern begleiten?“
„Nein! Noch nicht, Sir, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ Das erste Wort
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