03 - komplett
hatte.
Eigentlich hätte es ihm so leichtfallen müssen, sie zu hassen, und trotzdem hatte er es nicht gekonnt. In der Leere jener Wochen, bevor er wieder auf die Iberische Halbinsel zurückgekehrt war und das Gemetzel von Salamanca durchgemacht hatte, war seine Benommenheit nicht allein dem Alkohol zuzuschreiben gewesen. Rachel hatte ihn ausgelaugt und jeder Lebensfreude beraubt.
Inzwischen hatte er sich lange wieder gefangen und kam zu dem Schluss, dass Miss Meredith alt genug war und eine etwas verspätete Strafe vollauf verdiente. Doch sie hatte in ihm gelesen wie in einem Buch und mit vorgetäuschten Tränen versucht, ihn zu erweichen.
Früher einmal hätte es seine eigene Pein gemildert, wenn er glauben könnte, sie sei niedergeschlagen. Es hätte ihn vielleicht sogar aufgemuntert. Jetzt nicht mehr. Jetzt wollte er nicht, dass sie demütig oder bedrückt war. Aber er wollte sie. Und nach allem, was er ihretwegen durchgemacht hatte, sah er eigentlich auch nicht ein, warum er sie nicht haben sollte. Sie war ihm einiges schuldig. Er wusste, er konnte sie haben, wenn er wollte. Zwar hatte er sich vor sechs Jahren kaum erlaubt, sie zu küssen oder zu berühren, und dennoch war er sicher, dass er sie verführen konnte ...
und sogar noch heute Abend, wenn er es wünschte.
„Fasziniert? Wovon?“, fragte Jason ihn misstrauisch.
„Oh, nichts Besonderes.“
„Nichts Besonderes“, wiederholte Jason sarkastisch. „Zum Teufel, Connor! Sie hat dich damals gedemütigt! Du standest da wie ein vollkommener Narr!“, platzte sein Stiefbruder heraus und schüttelte ungläubig den Kopf. „Du bist so weit, sie es wieder versuchen zu lassen, was? Hast du den Verstand verloren? Hast du noch immer nicht begriffen, dass sie eine gefühllose Hexe ist? Du weißt doch, dass sie den Ruf hat, allen Männern das Herz zu brechen.“
Connor blickte zum Sternenhimmel hinauf und atmete tief die kühle Nachtluft ein.
„Ja, das weiß ich. Das wusste ich sogar, bevor unsere Gastgeberin so freundlich war, es mir noch einmal unter die Nase zu reiben. Natürlich weiß ich es.“
„Moncur scheint schon wieder um sie herumzuscharwenzeln, der liebeskranke Idiot.
Lerne aus seinem Beispiel. Ich wette mit dir um fünfundzwanzig Pfund, dass er schon sehr bald wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz davonhumpeln wird.“
„Anders wäre es ihm auch nicht möglich“, stichelte Connor, bedauerte aber sofort die gemeine Anspielung auf das Hinken des Mannes. „Du glaubst also, er ist auch auf eine zweite Chance aus?“ Als ihm bewusst wurde, wie viel er mit dieser impulsiven Bemerkung verriet, stieß er ein hilfloses Lachen aus. „Du hast recht. Wir hätten besser zu Mrs. Crawford gehen sollen.“
Jason machte eine Bewegung, um diese vernünftige Idee endlich in die Tat umzusetzen.
„Aber ich wüsste gern, was Edgar Meredith im Sinn hat“, fuhr Connor in ernsterem Ton fort. „Er begibt sich zu oft in meine Gegenwart, als dass es Zufall sein könnte. Wo ich auch bin, taucht er plötzlich auf. Wenn ich in meinem Klub bin, isst er auch dort zu Abend. Wenn ich bei Gentleman Jackson bin, trainiert er schon dort, wenn ich ankomme. Lieber Himmel, das letzte Mal hatte ich Angst, er würde zusammenbrechen. In seinem Alter und bei seinem Gewicht kann Boxen gefährlich werden. Und auch heute Abend hat er mich fast auf Schritt und Tritt begleitet. Es ist ja nicht so, dass ich den Mann nicht leiden könnte, aber er fängt allmählich an, mich zu beunruhigen.“
„Das ist ein gutes Zeichen.“ Jasons Stimme triefte vor Spott. „Der arme Kerl muss vier Töchter an den Mann bringen. Bist du sicher, du weißt nicht, warum er ständig dem Earl of Devane auflauert? Immerhin bist du Herr über Wolverton Manor und nennst stolze fünfzigtausend im Jahr dein Eigen. Himmel, du bist wirklich zu bescheiden, Connor.“
„Er muss drei Töchter verheiraten. Eine davon wird allerdings schon bald vermählt sein, und eine ist noch zu jung.“
„Was uns zu derjenigen führt, die am schwersten loszuwerden ist: der Ältesten, die du einst recht gern gehabt hast.“
„Das gehört jetzt der Vergangenheit an.“ Connor stützte sich auf das Geländer zwischen Terrasse und Garten und blickte gedankenverloren auf den mondbeschienenen Rasen. Er war sich Jasons sardonischer Blicke wohl bewusst und aus irgendeinem Grund nicht bereit, sich ihnen zu stellen. „Isabel wäre jetzt etwa dreiundzwanzig Jahre alt“, sagte er, um seinen allzu aufmerksamen Bruder
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