03 - komplett
aus.
„Besitzt diese junge Dame denn Ihr Vertrauen, Mylord? Gibt es tatsächlich eine Glückliche, die Sie gewonnen hat? Oder müssen wir Miss Meredith einfach schelten für ihre Angewohnheit, sich über andere lustig zu machen?“
Connor lachte, halb amüsiert, halb erbost. Ein Blick auf Rachel verriet ihm nichts, da sie ihr Gesicht fast ganz hinter ihrem Fächer verbarg.
„Ihre Komplimente schmeicheln mir, Mrs. Pemberton, wie auch Ihr Interesse an meinen persönlichen Angelegenheiten. Doch Miss Meredith ist es gelungen, Ihnen einen Bären aufzubinden.“ Mit einem letzten Blick auf Rachel, der sie zusammenzucken ließ, verbeugte er sich knapp und wandte sich zum Gehen.
Pamela Pemberton sah ihn fassungslos an, offenbar nicht sehr erfreut über den Ausgang ihrer kleinen Rache. „Sie denken also, ein Gewitter zieht auf, Mylord?“, fragte sie hastig in einem Versuch, ihn aufzuhalten.
„Das wird sich nicht verhindern lassen“, erwiderte er vielsagend und ging.
„Nun gut“, seufzte Mrs. Pemberton. „Ich hatte ein nettes Gespräch mit Ihrer Mutter ...“
Rachel warf ihr einen derart wütenden Blick zu, dass die Dame verstummte. Wie konnte die alte Hexe es wagen, sie so freundschaftlich anzusprechen? Am liebsten hätte sie ihr den albernen Turban vom Kopf gerissen. Nur mühsam hielt sie sich zurück. Connor musste ja den Eindruck gewonnen haben, sie hätte sich damit gebrüstet, ihn wieder eingefangen zu haben! Es war empörend! Kein einziges Mal hatte sie versucht, in seine Nähe zu kommen. Ganz im Gegenteil. Plötzlich kam ihr ein entsetzlicher Gedanke. Glaubte er jetzt vielleicht, dass sie seine Aufmerksamkeit suchte? Dass sie womöglich absichtlich auf der Treppe gezögert hatte, um ihn anzulocken? Hatte sein letzter Blick ihr seine ganze Verachtung zeigen sollen? Es war unerträglich!
„Ein nettes Gespräch?“, fuhr sie Mrs. Pemberton an. „Mit meiner Mutter? Das erstaunt mich! Denn es wäre sehr viel mehr, als Sie heute Abend von uns Merediths verdient hätten. Gewiss ist es mehr, als Sie von mir bekommen werden! Wenn Sie mich entschuldigen wollen ...“
Die Arie brachte ihre glockenreine, wohlklingende Stimme wundervoll zur Geltung.
Die Sängerin kannte ihre Stärken sehr gut. Kein Laut war im Publikum zu hören. Das letzte Stück bewies ein weiteres Mal den bemerkenswerten Umfang ihrer süßen Stimme, die jetzt zu einem hohen Crescendo anstieg.
Die Tatsache, dass der Earl of Devane sich offenbar nicht unter ihren Bewunderern in der ersten Reihe befand, tat der Leistung der Diva jedenfalls keinen Abbruch. Die theatralischen Gesten, die leidende Miene, die sie aufsetzte, alles trug zu einer schlichtweg vollkommenen Darstellung bei. Rachel musste widerwillig zugeben, dass die Sängerin über ausgeprägtes Talent verfügte.
Sam Smith stand auf dem Bürgersteig und sah zu den hell erleuchteten Fenstern im ersten Stock hinauf. Elegant gekleidete Damen und Herren nippten an glitzernden Kristallgläsern und aßen kleine Stücke Torte von gewiss sehr teurem Porzellan. Sam war an den Anblick von Luxus gewöhnt, wenn auch nur von Weitem. Dann sah er sie
– die Schönste von allen. Sie war wieder mit der Frau von neulich zusammen. Ihre goldenen Locken und die cremeweiße Haut waren ein Augenschmaus. Unwillkürlich berührte er sein verletztes Gesicht, zuckte zusammen, als er an das geschwollene Auge kam, und betrachtete grimmig das Blut an seinen Fingern.
Die Dame war jedenfalls heute Abend hier, also war der Gentleman es vielleicht auch. Sam hatte die Art gesehen, mit der Lord Devane sie ansah, und ahnte, dass der Earl überall dort sein würde, wo sie sich aufhielt.
Sam war mit seiner Schwester zusammen und auf der Suche nach einer Unterkunft für die Nacht hier vorbeigekommen. Dabei hatte er den älteren Burschen erkannt, der sich vor einigen Tagen mit ihm angelegt hatte. Aus seinem guten Versteck hinter einem Gebüsch warf Sam ihm jetzt einen listigen Blick aus seinem unverletzten Auge zu.
Einer verrückten Eingebung folgend, war er geblieben. Denn er hatte nichts zu verlieren, während seine kleine Schwester Annie unendlich viel zu verlieren hatte.
Jetzt wartete er schon so lange hier im Verborgenen, dass es ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Doch er war bereit, lange zu warten – bis zum Morgengrauen, wenn nötig.
Er musste nur Ruhe bewahren und mit dem Mann sprechen. Was konnte Lord Devane schon sagen? Nur Nein ...
5. KAPITEL
Jason Davenport sah von seinen Karten auf und kräuselte
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