03 - komplett
Stattdessen spürte sie, wie jemand sanft ihre Wange streichelte. Man tröstete sie, weil ihre Schwester bald wieder fort sein würde ... ihr entrissen, weit, ganz weit fort. Isabels Gesicht, ihr hellbraunes Haar waren nicht mehr so gut auszumachen, wurden schwächer. Rachel rief nach ihr und bat sie schluchzend, sie nicht zu verlassen.
Sie suchte jene Hände, den Trost ihrer Umarmung, doch ein eindeutig männlicher Duft stieg ihr in die Nase, das Gefühl, ein Mann sei in der Nähe, schreckte sie aus dem Schlaf. Abrupt setzte sie sich in ihrem Sessel auf und wich unwillkürlich darin zurück. Mit verschwommenem Blick schaute sie ungläubig in das Gesicht eines Mannes. Er war ihr sehr nahe, und Rachel wurde bewusst, dass er sich dicht neben ihrem Sessel hingehockt hatte. Hinter ihm machte sie undeutlich die Umrisse zweier anderer Männer aus. Sie blinzelte, schluckte mühsam und blinzelte wieder. Sie ahnte, noch halb im Schlaf, die peinliche Verlegenheit, die ihr bevorstand. Die entsetzliche Scham über die Lage, in die sie sich gebracht hatte, war zu viel für Rachel, und sie schloss fest die Augen, als könnte sie ihr auf diese Weise entkommen.
Doch schließlich schaute sie über Lord Devanes Schulter hinweg zu den beiden Männern, die Zeugen ihrer Demütigung wurden. Es war der Butler, der leise mit einem hochgewachsenen blonden Mann sprach – Jason Davonport. Devanes Stiefbruder ließ sie keinen Moment aus den Augen. In ihrer Verzweiflung versuchte sie, sich zu erheben. Ihre Beine waren steif vom langen unbequemen Sitzen, und sie suchte Halt an der Sessellehne, während sie sich langsam aufrichtete.
Connor erhob sich gleichzeitig, ohne sich zu entfernen, und als sie leise aufschluchzte und stolperte, stützte er sie mit festem Griff.
Seine leisen Worte drangen bis zu ihr durch und erlösten sie aus ihrer Erstarrung.
„Kommen Sie, es ist Zeit für Sie, nach Hause zu gehen, Rachel.“
„Wie spät ist es?“, war das Einzige, was sie mit bebender Stimme hervorbringen konnte.
„Halb zwei.“
„Halb zwei?“, wiederholte sie fassungslos. „Sie kommen spät ... so spät ...“, flüsterte sie vorwurfsvoll und atmete zitternd ein.
„Ich weiß. Es tut mir leid“, beschwichtigte er sie mit samtweicher Stimme, von der sie sich leicht wieder einlullen lassen könnte.
Ohne ein weiteres Wort zog er sie dicht an sich, einen Arm um ihre Schultern, als wollte er das Zittern, das sie durchlief, durch seine Nähe mildern. Er half ihr, mühelos über das glänzend polierte Parkett zu gehen, sodass sie glaubte, sie würde schweben. Der Butler öffnete ihnen die Tür, und im nächsten Moment war Rachel an der sanften Nachtluft, wurde hochgehoben und wie im Traum schwebend die Stufen hinuntergetragen.
Es schien das Natürlichste von der Welt zu sein, dass er sich in der Kutsche neben sie setzte und sie in den Armen hielt, während sie, den Kopf an seiner Brust, wieder einschlief.
8. KAPITEL
„Soll ich bleiben und einschenken, Miss Rachel?“
„Nein, ich komme schon zurecht. Das wäre dann alles, danke, Noreen.“
Noreen Shaughnessy sah ihre Herrin skeptisch an und warf dann dem hochgewachsenen, eleganten Gentleman, der lässig neben dem Kamin stand, einen gar nicht schüchternen Blick zu. Nach einem tiefen Knicks, bei dem eine Strähne ihres rotbraunen Haars dem adretten Häubchen entwich, zog sie sich zurück.
Rachel sah ihr nach und runzelte missbilligend die Stirn. Natürlich ... wieder eine, die von ihm angetan und noch dazu eine Landsmännin war. Schnell ging sie zum Teetablett hinüber, das Noreen auf den Tisch des Morgenzimmers gestellt hatte. „Ich danke Ihnen, dass Sie so schnell kommen konnten, Sir ... Mylord. Zunächst muss ich mich dafür entschuldigen, Sie so schockierend früh herzubitten. Allerdings hielt ich es für vernünftig, diese Sache zwischen uns, auch schon wegen der Schicklichkeit, so bald wie möglich hinter uns zu bringen.“ Sie presste bedauernd die Lippen zusammen, da es ihr nicht gelang, taktvoller mit ihm zu reden. Im Grunde war es ihre Absicht gewesen, ihn in Sicherheit zu wiegen und sich noch nichts von der Feindseligkeit anmerken zu lassen, die sie ihm in Wirklichkeit entgegenbrachte. Für den Moment war sie bereit, ihre wahren Gefühle zu verbergen und den Boden für die Saat ihres Plans zu bereiten. Zuerst wollte sie aber alles tun, um June eine glückliche, harmonische Hochzeit auf Windrush zu sichern. Wie sie ihr Erbe zurückgewinnen sollte, war eine ganz andere Sache,
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