03 - komplett
Unruhig schenkte sie sich Tee ein und trank sofort einen Schluck.
Connor kehrte zum Kamin zurück und stützte den Arm auf den Sims. Insgeheim hoffte er inbrünstig, es war ihm nicht tatsächlich anzusehen, wie sehr sie ihn bereits in Erregung versetzt hatte. Ebenso wie er hoffte, seine grobe Anstößigkeit war nicht allzu offensichtlich gewesen. Aber er wusste, er hatte Rachel in Empörung versetzt, und es erstaunte ihn nicht. Was war ihm nur eingefallen, so mit ihr zu reden? Als wäre sie ein leichtes Mädchen, das um seine Dienste buhlte. Gereizt trommelte er mit den Fingern auf den Kaminsims. Er sprach so mit ihr, weil er wünschte, sie wäre seine Geliebte. Wenn er sich allerdings im Ton vergriffen hatte, so war es nicht allein seine Schuld. Rachel war sicherlich von vornehmer Geburt und vielleicht auch noch unschuldig, aber sie hatte ihm allen Grund gegeben, sie mit Verachtung zu behandeln. Was er dennoch nicht tun würde. Es lag ihm jetzt ebenso fern, sie zu verabscheuen, wie vor sechs Jahren, als sie ihn so gut wie vor dem Altar stehen gelassen hatte. Dabei hatte sie sich gestern wie eine lockere Person aufgeführt. Kein Wunder, dass sein Butler sie für eine seiner abgelegten Mätressen gehalten hatte, die gekommen war, um sich zu beklagen.
Connor wusste genau, was sie von ihm wollte, und hatte nichts anderes erwartet.
Allerdings hatte er ihre Verzweiflung unterschätzt. Das konnte nur bedeuten, sie war von ihrem Vater nicht ins Vertrauen gezogen worden. Rachel wusste ganz offensichtlich nicht alles, was sich zwischen ihm selbst und Meredith abgespielt hatte. Meredith hatte ihm im Grunde seine Tochter auf einem Tablett serviert. Es war viel zu deutlich, viel zu leicht. Doch Connor wollte wissen, wie weit sie gehen würde, um zu bekommen, was sie wollte – und wie weit er sie gehen lassen würde, bevor er sie freigab.
Er war nicht stolz auf sich. Immerhin hatte er eine Geliebte, die ihn mit einem wahren Feuerwerk an Sinnlichkeit beschenkte – manchmal, ohne dafür die angemessene Anerkennung zu erhalten. Es tat ihm richtig leid, dass Maria gezwungen war, sich ihre Stellung im Leben so hart zu erarbeiten.
Diese eisige blonde Schönheit hingegen brachte sein Blut in Wallung, ohne sich die geringste Mühe geben zu müssen. Aber warum erstaunte ihn das, ja, ärgerte ihn sogar? Sie hatte doch schon immer diese Wirkung auf ihn gehabt.
Mit neunzehn war Rachel Meredith unbeständig, launenhaft und aufreizend gewesen. Sie war aber auch umwerfend schön, lebhaft und hatte eine hinreißende natürliche Sinnlichkeit ausgestrahlt. Connor hatte die Zeichen dafür erkannt, und er wollte gern alles hinnehmen, wenn er Rachel dafür bekam. In den Momenten, in denen er ein wenig klarer denken konnte, hatte er allerdings erkannt, dass er sie trotz all ihrer Fehler auch liebte. Nicht nur wegen ihrer Schönheit und ihrer verlockenden Mitgift, sondern weil sie eben seine Rachel war. Lieber Himmel, was für ein liebestoller Narr er gewesen war! Aber jetzt nicht mehr. Und gewiss nie wieder.
Wie es schien, hatte er sie nie wirklich gut gekannt. Die Sinnlichkeit, die er damals an ihr entdeckt zu haben glaubte, gab es nicht mehr. Rachel wich vor seiner Berührung zurück, weil sie ihn verabscheute. Seine Art, sie dafür zu bestrafen, war, sie zu erschrecken, indem er sich benahm wie ein wollüstiger Jüngling, der noch grün hinter den Ohren war, noch dazu sechs Jahre zu spät. Er hätte sie nehmen sollen, als er die Gelegenheit und ein größeres Recht dazu gehabt hatte.
Gestern hatte sie ihm erlaubt, sie zu trösten, aber da war sie nicht ganz bei Sinnen gewesen. Jetzt war sie hellwach, und er konnte sich denken, dass sie entschlossen sein musste, sich in seiner Nähe nie wieder eine solche Blöße zu geben. Er war immerhin Zeuge ihrer Verzweiflung geworden und hatte Rachel damit einen weiteren Grund gegeben, ihn zu hassen. Die Trauer um ihre Schwester war etwas, das er nicht wissen durfte. Trotzdem freute es ihn, dass er es wusste. Natürlich genoss er nicht ihren Schmerz, aber zu seinem eigenen Erstaunen wünschte er, er könnte diesen Schmerz lindern.
„Ich sollte Ihnen gleich sagen, warum ich gestern zu Ihnen ging“, begann sie und stellte ihre Tasse etwas zu hart auf dem Tisch ab.
„Bemühen Sie sich nicht“, fiel Connor ihr ins Wort, und seine Enttäuschung ließ ihn rüpelhaft klingen. „Wollen wir vorgeben, ich wüsste nicht, warum Sie so eilig nach London zurückgekehrt sind und mich dringend sehen möchten?
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