03 - komplett
benachrichtigen.
Dennoch möchte ich Ihnen für Ihre Bemühungen danken. Besonders Ihnen, Mrs.
Vance, dass Sie Alarm geschlagen haben. Bitte erlauben Sie mir, Sie zum Dank zum Frühstück einzuladen.“
„Das ist sehr großzügig von Ihnen, Mylord, aber dazu bleibt uns leider keine Zeit.“
Sylvie hakte sich bei John ein und zog verstohlen an seinem Ärmel. Aus der Küche drang der verführerische Duft von frisch gebratenen Eiern mit Speck zu ihnen heraus, und sie wusste, dass es John schwerfallen würde, eine Einladung zu einer warmen Mahlzeit auszuschlagen.
„Wohin sind Sie denn unterwegs? Nach Hause?“, fragte Adam in beiläufigem Ton.
„Und wo ist Ihr Zuhause überhaupt?“
„Hertfordshire“, murmelte Sylvie und wandte sich ab, in der Hoffnung, so weiteren Fragen zu entgehen. Unverhofft spürte sie, dass sie beobachtet wurden. Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben.
Eine Frau lehnte an einem der Fenster direkt über ihnen, und ihrer Miene war deutlich anzusehen, dass sie ihrem Gespräch lauschte. Sie war hübsch, wenngleich ein grimmiger Ausdruck auf ihrem Gesicht lag. Den Morgenmantel hatte sie nur lässig über die Schultern geworfen, und als sie sich auf das Fenstersims stützte, quoll ihr üppiger Busen aus dem tiefen Ausschnitt ihres Negligés. Trotz ihres nicht schicklichen Aussehens erwiderte sie Sylvies Blick mit dreister, herablassender Arroganz.
Sylvie sah, dass auch Adam die Frau bemerkt hatte. Er hob die Augenbrauen und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Als die brünette Frau seine düstere Miene bemerkte, zog sie sich rasch zurück und knallte das Fenster mit Wucht zu.
Einen Augenblick zuvor noch hatte Sylvie es mit der Abreise eilig gehabt. Nun aber drängte sie die Neugier zum Bleiben. Wer war die schmollende Frau und wieso verärgerte ihr Anblick Lord Rockingham derart? Waren die beiden zusammen hierhergereist? Vor zwei Jahren noch hätte sie ihrer Neugier nachgegeben und ihm diese Fragen einfach gestellt.
Adam entgingen die widerstreitenden Gefühle nicht, die sich in ihrem hübschen Gesicht spiegelten, und ihm wurde bewusst, dass sie ihre damalige naive Unschuld tatsächlich verloren hatte. Früher hätte sie ohne viel Federlesens mit dem Finger gedeutet und sich nach der Frau am Fenster erkundigt. Nun glaubte sie wohl zu wissen, wer Theresa war. Offenbar nahm sie an, er treibe sich mit seiner Mätresse in diesem Gasthof herum. Eigentlich hätte ihm das gleich sein müssen, doch es verletzte ihn, dass sie ihn für verkommen genug hielt, sich für ein Rendezvous einen solch unpassenden Ort zu wählen.
Vielmehr noch aber quälte ihn die Frage, warum dieses in jeder Hinsicht unvergleichliche Geschöpf einen Mann geheiratet hatte, der ihr ganz offenkundig nicht ebenbürtig war. John Vance gehörte ganz gewiss nicht zu den schlauesten Menschen auf Gottes Erdboden, wenngleich er gut aussah und ein freundliches Wesen besaß. Allem Anschein nach war er vermutlich sogar viel zu gutmütig. Es gab also keinen Grund, warum er ihn nicht mögen sollte, dennoch verspürte Adam eine gewisse Abneigung gegen den Mann. Er weigerte sich indes darüber nachzugrübeln, warum dem so war.
„Verzeihung, Mylord.“ Mrs. Bragg war unbemerkt zu ihnen getreten und machte nun einen tiefen Knicks. „Lady Townsend möchte Sie unverzüglich sprechen.“
Einen Augenblick lang glaubte Sylvie, er würde die Wirtin mit einer ablehnenden Antwort wegschicken, aber er verdrehte nur ärgerlich die Augen. „Entschuldigen Sie mich bitte“, sagte er, verbeugte sich und kehrte in den Gasthof zurück.
Verblüfft darüber, dass die Brünette seine Gemahlin zu sein schien, bemerkte Sylvie zu spät, dass Mrs. Bragg neugierig auf ihre Hand blickte, offenkundig nach einem Ehering Ausschau haltend. Rasch löste sie sich von John und steckte die Hand in die Manteltasche.
„Reist Seine Lordschaft mit Gemahlin?“, fragte sie, in der Hoffnung die Wirtin mit einem entwaffnenden Lächeln und ein wenig Klatsch ablenken zu können.
Mrs. Bragg lachte herzlich. „Er mag sie so nennen, aber ich bezweifle, dass diese Dame mit Seiner Lordschaft vermählt ist, ebenso wenig wie ...“ Mrs. Bragg brach ab und zwinkerte ihr zu. Dann flüsterte sie: „Wickeln Sie sich nur fest in Ihren Mantel ein. Dort, wo Sie hinfahren, ist es, auch wenn wir schon Frühling haben, noch bitterkalt.“
Sylvie warf John einen Blick zu, doch ihm schien der Hinweis, dass die Wirtin sie durchschaut hatte, entgangen zu
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