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03 - Saison der Eifersucht

03 - Saison der Eifersucht

Titel: 03 - Saison der Eifersucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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sich
gewählt, während Sarah und Annabelle im Stockwerk darüber schliefen: Harriets
Zimmer wurde von einem großen Doppelbett und einem wuchtigen Barockschrank
beherrscht. Zwar waren die Vorhänge am Fenster und um das Bett herum aus roter
Seide und die Möbel auf Hochglanz poliert, aber das Zimmer hatte die Atmosphäre
eines gemieteten Zimmers. Es gab weder Bilder noch sonstiges schmückendes
Beiwerk oder anheimelnden Krimskrams, wie er sich in der eigenen Wohnung im
Laufe der Zeit ansammelt.
    Ein kleiner Schauer
überlief sie in ihrem dünnen Unterkleid, und sie bückte sich, um Kohle
nachzulegen. Die allerletzte Mode hatte die stille Gegend von Upper Marcham
noch nicht erreicht, und Harriet war zuerst schockiert gewesen, als sie die
beinahe durchsichtigen Kleider sah, die man in London tragen musste. Die Times hatte erst vor kurzem mit beißendem Spott geäußert. »Die Mode der falschen
Busen hat doch immerhin den Vorteil, dass sie das schöne Geschlecht zwingt,
wenigstens etwas zu tragen.«
    Harriet hatte sich
strikt geweigert, eine Unterhose anzuziehen, eine neue Mode, die sie für höchst
unanständig hielt. Unterhosen waren immer den Männern vorbehalten gewesen. Aber
mit einem Unterkleid oder dünnen Unterrock - das alte Wort Unterhemd galt
jetzt als vulgär - hatte sie sich abgefunden. Schließlich war er das
einzige, was die meisten jungen Damen unter dem Kleid trugen, Das Unterkleid
war knielang. Der Ausschnitt - sehr tief, um der neuesten Mode zu
entsprechen - viereckig und mit einer gerafften Musselinrüsche eingefasst.
    Sie zog ein paar
Seidenstrümpfe an, streifte die Strumpfbänder über und wandte sich dann mit
einem Seufzer ihrem üppigen Haar zu, bevor sie ihr Ballkleid anzog.
    Sie hatte die erste
Strähne In der Hand und wand sie um die Lokkenschere, als das Gesicht des
Marquis of Huntingdon vor ihrem geistigen Auge auftauchte. Sie sah seine
spöttischen haselnussbraunen Augen und seinen lächelnden Mund; sie hörte den
zärtlich-heiseren Ton seiner Stimme und fuhr erschrocken zusammen, als
ihre Haare, die zu lange in der Lockenschere waren, zu knistern begannen.
Harriet musste sich auf den kleinen Hocker mit Petitpoint-Stickerei vor
dem Toilettentisch setzen, eine so starke Erschütterung hatte sich ihrer
bemächtigt.
    Sie hatte einen
Moment lang seine Gegenwart so lebhaft empfunden, als ob er in das Zimmer
getreten sei und neben ihr stehe. Sie presste ihre sanften Lippen entschlossen
zusammen. Bisher war es ihr recht gut gelungen, Sarah und Annabelle in die
Gesellschaft einzuführen. Miss Spencer wäre erstaunt, wenn sie wüsste, wie
geschickt sie vorging. Sie ließ sich nicht von den Verführungskünsten eines
Wüstlings vom rechten Weg abbringen. Und Harriet war überzeugt davon, dass
Huntingdon ein Wüstling war. Nachdem sie bisher jedem, dem sie begegnete,
vertraut hatte, wurde sie hier in London allmählich vorsichtig wie ein junges Tier,
das sich in einem Dschungel verlaufen hat. An dem Marquis war etwas nicht in
Ordnung, etwas, das ihr ruhiges Leben und ihre Sicherheit bedrohte.
    Sie nahm die
Lockenschere wieder zur Hand und überraschte sich selbst dadurch, dass sie die
hübscheste Frisur zustande brachte, die ihr je gelungen war. Sie band ein
langes silbergraues Band um ihre weichen Locken und gab damit der Frisur die
griechische Note, die bei den vornehmen Damen so beliebt war. So entschlossen
richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Vorbereitungen für den Ball,
dass es ihr schnell gelang, jeden Gedanken an den Marquis of Huntingdon zu
verbannen.

    England machte gerade eine kurze Phase
einer Scheindemokratie durch, weswegen der Abendanzug des Marquis of Huntingdon
auch nicht den kleinsten Blick auf die Hemdmanschetten freigeben durfte. Dieser
schmale weiße Streifen, der die Gesellschaft in zwei Klassen teilte, weil er
den untätigen Gentleman vom Handwerker trennte, galt nun als undemokratisch.
Die Sache war vor siebzehn Jahren Mode geworden, und Gentlemen wie der Marquis
hatten offensichtlich den Grund dafür vergessen - denn auf seinem
Ankleidetisch wartete eine prächtige Saphirnadel darauf, in den schneeweißen
Falten seiner gestärkten Halskrause zu verschwinden. Die Wäschestärke war von
Brummell, dem berühmten Dandy, eingeführt worden. Diese Neuerung hatte ihm
sogar eine Erwähnung in der Zeitung eingebracht: »Als er das erste Mal mit
seiner gestärkten Halskrause in der Öffentlichkeit erschien, gab es ein
gewaltiges Aufsehen; vor Neid verschlug es den Dandys

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