03 - Saison der Eifersucht
doch
bestimmt in dem Dorf noch mehr Leute.«
»Natürlich, aber
nur wenige vornehme Leute, praktisch keine, und leider waren meine Eltern sehr
eingebildet und wollten nur. mit Sir Benjamin verkehren, da sie alle anderen
für nicht ebenbürtig hielten. Aber da ist noch eine Miss Spencer, die eine sehr
liebe Freundin von mir ist. Ich habe ihre Bekanntschaft gemacht, nachdem ich
Beauty ins Haus genommen hatte, deshalb bin ich jetzt überhaupt nicht mehr
einsam. Und hier in London habe ich Sarah und Annabelle. - Da ist
Rainbird. Darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten, Lord Huntingdon?«
»Ja, bitte.« Der
Marquis beobachtete Harriet, während ihm Rainbird ein Glas Wein eingoss. Er
wartete, bis der Butler wieder hinausgegangen war, und sagte dann. »Darf ich
Ihnen einen Rat geben, Miss Metcalf? Wenn Sie nicht lernen, Ihr loses Mundwerk
zu bezähmen, fürchte ich, dass Ihr Hund Ihre einzige Gesellschaft bleibt.«
»Aber ich habe noch
nie zu irgendjemandem so etwas gesagt«, sagte Harriet aufrichtig. »Nur zu
Ihnen.«
»Was verschafft mir
die Ehre einer solch hemmungslosen Ehrlichkeit?«
Harriet neigte den
Kopf ein wenig zur Seite und musterte ihn.
»Ich glaube, es
liegt daran, dass Sie mich reizen, Mylord, und außerdem daran, dass Sie den Ruf
eines Wüstlings haben.« Harriet saß völlig entgeistert. Was um Himmels willen
war über sie gekommen! Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Er stellte sein
Glas bedächtig auf den Tisch und erhob sich. »Miss Metcalf«, sagte er und
musterte ihren gesenkten Kopf von oben, »ich habe versprochen, heute nachmittag
mit Ihnen auszufahren, und mein Versprechen will ich halten. Aber danach hoffe
und vertraue ich darauf, dass Sie meine Gesellschaft meiden. Ich jedenfalls
werde mein Bestes tun, um Ihnen aus dem Weg zu gehen.«
Harriet spürte
Angst aufsteigen. Die Mädchen waren so glücklich gewesen, so überaus erfreut
über die Aussicht, den Marquis of Huntingdon kennenzulernen. Als sie schüchtern
auf seinen Ruf hingewiesen hatte, hatten beide sie ausgelacht. Die einzigen
Herren, die es wert seien, dass man sie beachte, seien doch die Lebemänner und
Herzensbrecher, hatte Sarah auf ihre weltkluge Art gesagt, die Harriet immer
das Gefühl gab, sie selbst sei ein richtiger Bauerntrampel.
Sie stand auf und
versank in einen tiefen Knicks. Ihre blauen Augen, in denen Tränen standen,
blickten zu ihm auf. »Bitte nehmen sie meine tiefsten, demütigsten
Entschuldigungen entgegen«, sagte Harriet.
Er ging einen
Schritt auf sie zu. Er wollte sie in die Arme nehmen, sie an sich drücken,
diesen weichen Körper an seinem fühlen. Doch dann trat er zurück, weil er sich
wie ein weibstoller Satyr vorkam. Ohne ein Wort machte er auf dem Absatz kehrt und
ging hinaus.
Harriet sank wieder
auf ihren Stuhl und brach in heftige Tränen aus. Sie war wirklich ein
Unglückswurm. Sie hatte inzwischen doch genug von der großen Welt
kennengelernt, um zu wissen, dass dieser hinreißende Marquis den Ton in der
Gesellschaft angab. Wenn sie Beau Brummell bei einem Ballfest im Almack eine
Ohrfeige gegeben hätte, dann hätte sie ihrem gesellschaftlichen Ruf
wahrscheinlich auch nicht mehr geschadet.
Nach ein paar
Minuten trocknete Harriet die Tränen. Der Schaden war nun einmal angerichtet.
Sie konnte nichts anderes tun als versprechen, ihre Zunge im Zaum zu halten und
sich so nett wie möglich zu benehmen, wenn er an diesem Nachmittag wiederkam.
Sarah und Annabelle durften nie erfahren, wie sehr sie sich danebenbenommen
hätte. Sie wären ja so enttäuscht von ihr!
Da fiel Harriet
Lizzie ein, das Küchenmädchen, Und sie begab sich nach unten. Beauty war
todmüde von den aufregenden Erlebnissen eingeschlafen und machte keinen
Versuch, ihr zu folgen. In der Gesindeküche waren nur Mrs. Middleton und Angus
MacGregor,
»Wo ist Lizzie?«
fragte Harriet.
»Sie liegt in ihrem
Bett«, antwortete Mrs. Middleton und knickste. »Sie wird bald wieder ihre
Pflicht tun.«
»Ich bin der
Ansicht, dass sie heute nicht aufstehen sollte«, sagte Harriet mit besorgter
Miene. »Sie können noch eine Hilfe einstellen, wenn Sie wollen. Wo ist Lizzies
Zimmer?«
»Sie hat kein
Zimmer, Madam, da wir sowenig Platz haben, aber sie hat eine Pritsche in der
Spülküche.«
»Bitte zeigen Sie
mir, wo sie ist«, sagte Harriet.
Mrs. Middleton ging
voran. Lizzie versuchte sich aufzurichten, als sie Harriet sah. Harriet schaute
traurig auf die dünne Strohmatratze herunter, auf der Lizzie lag.
»Ich muss dich
bitten, kurz
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