03 - Saison der Eifersucht
aufzustehen, Lizzie«, sagte sie gütig.
»Mrs. Middleton,
vielleicht können Sie mir helfen, sie hochzuheben.«
»Bring
einen Stuhl, Angus«, rief Mrs. Middleton. Als Lizzie auf den Stuhl gehoben war,
bückte sich Harriet hinunter und hob die dünne Matratze hoch. Überall stachen
Strohhalme hervor, und die Unterseite war feucht.
»Sind Sie sicher,
dass es keine Möglichkeit gibt, sie woanders schlafen zu lassen?« fragte Harriet
bekümmert.
»Wir haben keinen
Platz«, sagte Mrs. Middleton. »Sie ist nur ein Spülmädchen, deshalb kann sie
nicht mit in mein Zimmer ziehen.«
»Ich glaube«,
meinte Harriet, »ein Faltbett mit neuen Decken wäre hier angebracht. Bitte,
holen Sie Mr. Rainbird.«
Rainbird kam in
diesem Moment mit einem Arzt herein. Die Diener und Harriet zogen sich in die
Stube zurück, während der Arzt Lizzie untersuchte.
Schließlich kam er
heraus und sagte: »Das Mädchen hat lediglich eine schlimme Erkältung vom
Schlafen auf dem feuchten Stroh. Geben Sie ihr eine trockene Unterlage, und ich
verschreibe ihr ein aufbauendes Stärkungsmittel.« Dann sagte er fröhlich zu
Harriet, er werde ihr die Rechnung schicken, und eilte weiter.
Der Butler
versprach, dass er mit Miss Metcalfs Erlaubnis noch am selben Tag ein Feldbett
kaufen werde.
Später, als Lizzie
in ihr neues Bett gesteckt war, sprachen sie alle mit leisen Stimmen über
Lizzies Zustand. Sie hatten gar nicht gemerkt, wie schlecht Lizzie dran war, wenn
sie auf dieser furchtbaren Matratze schlief, aber Diener hatten ihr eigenes
strenges Kastensystem und waren genaugenommen abgestumpfter gegen die Leiden
derer, die in der Rangfolge noch unter ihnen standen, als ihre Herren und
Herrinnen.
Schon nach kurzer
Zeit waren sie viel zu beschäftigt, um sich um Lizzie Gedanken zu machen, und
rannten hin und her, da alles für die beiden überaus wichtigen Besucher
vorbereitet werden musste. Harriet schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass der
Marquis ihr unhöfliches und freches Benehmen nicht in ganz London verbreiten
möge. Es war schon schlimm genug für sie selbst, von ihm geschnitten zu werden,
aber wie verheerend wäre es für die armen unschuldigen Mädchen, Sarah und
Annabelle, von ihm und allen anderen ebenfalls geschnitten zu werden.
Als Lord Vere kam,
war Harriet in einer ganz unglücklichen Verfassung; sie bildete sich ein, eine
gesellschaftliche Katastrophe heraufbeschworen zu haben. Sie war bedrückt und
so bleich, dass Lord Vere in seiner Bemühung, ihre Laune zu heben, viel
Aufhebens um Sarah und Annabelle machte, mit ihnen schäkerte und sie mit
Komplimenten überhäufte.
Er ging sogar so
weit, Beauty zu tätscheln, aber selbst mit dieser mutigen Geste gelang es ihm
nicht, ein Lächeln auf Harriets liebliches Gesicht zu zaubern. Schließlich war
es Zeit, sich zu verabschieden. Er versprach Harriet, eine Loge in der Oper für
sie zu mieten. Er sehnte sich danach, mit ihr unter vier Augen zu sprechen, um
herauszufinden, was sie so sehr bekümmert hatte, und entschloss sich, am
nächsten Morgen ganz früh zu kommen, wenn er sicher sein konnte, dass ihre
lästigen Schützlinge noch im Bett waren.
Es war zu früh für
einen Bummel in der Bond Street, zu früh für eine Spazierfahrt im Park. Lord
Vere machte sich zum Stadthaus des Marquis of Huntingdon auf, welches ein ganz
unauffälliges Gebäude in der Charles Street war, da der Marquis zu der Sorte
von Aristokraten gehörte, die es als Verschwendung betrachteten, Geld für einen
großen Besitz in der Stadt auszugeben.
Er traf den Marquis
in der Bibliothek an, wo er gerade einen Stoß Rechnungen und Einladungen
durchsah.
»Warum so
trübsinnig?« fragte der Marquis, als er in das bekümmerte Gesicht seines
Freundes schaute.
»Ich habe Miss
Metcalf gerade einen Besuch abgestattet.«
»Ah, das erklärt
alles«, sagte der Marquis, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte
die Hände hinter dem Kopf. »Unsere Unschuld vom Lande ist ganz schön zänkisch.«
»Wie kannst du so
etwas sagen?« wollte Lord Vere wissen. »Sie war die Nettigkeit selbst, aber so
unglücklich, so niedergeschlagen, dass ich mich danach sehnte, sie allein zu
sprechen, um sie zu fragen, was sie bekümmert.«
»Das will ich dir
sagen«, erklärte der Marquis mit boshaftem Grinsen. Er erzählte kurz, was sich
am Vormittag zugetragen hatte, und endete mit einer Beschreibung von Harriets
unhöflichen Bemerkungen.
»Du musst sie ganz
fürchterlich getroffen haben«, meinte Lord Vere. »Sie war so
Weitere Kostenlose Bücher