03 - Saison der Eifersucht
unterstellen schien, auf
einmal gar nicht mehr so harmlos aus. Statt dessen sagte sie: »Aber was, wenn es
wahr wäre? Was wäre, wenn jemand so ein Beweisstück hätte?«
»Dann, meine liebe
Unschuld vom Lande«, sagte er, »verabredet man sich in Mayfair mit Ihnen und
hat wahrscheinlich einen Anwalt dabei. Man fordert Sie nicht auf, in den
>Krähenhorst< zu kommen. Man schreibt auch keine Briefe in gutem Englisch
und schiebt sie durch den Briefkastenschlitz, wobei man Gefahr läuft, gesehen
zu werden. Derjenige, der den Brief einwarf, konnte sich darauf verlassen, dass
er - oder sie - nicht weiter auffallen würde.«
»Noch etwas anderes
hat mich heute abend erschüttert«, sagte Harriet. »Ich musste erkennen, dass
Annabelle und Sarah mich nicht mögen.«
»Den Eindruck habe
ich schon lange«, sagte er trocken. »Sind Sie sicher, dass nicht die beiden den
Brief geschickt haben?«
Ich bin sicher«,
sagte Harriet. »Sie mögen mich nicht, aber sie wünschen mir nicht den Tod.«
»Vielleicht haben
sie nicht bedacht, dass das Abenteuer tödlich für Sie hätte ausgehen können«,
gab er zu bedenken. »Möglicherweise wollten Sie Ihnen nur einen Schreck
einjagen. Gehässige Leute denken oft nicht an die Folgen ihrer Handlungen.«
»Ich wünschte, sie
würden mich nicht hassen«, sagte Harriet. »Oh, es ist schlimm, wenn man
feststellt, dass zwei Mädchen, die man geliebt und verwöhnt hat, zu solchen
Gefühlen fähig sind.«
»Vielleicht sollten
Sie versuchen, Ihre Liebe einem würdigeren Gegenstand zuzuwenden«, meinte der
Marquis. »Nur weil zwei eifersüchtige Mädchen Sie nicht mögen, sind Sie nicht
weniger liebenswert. Man muss es lernen zu akzeptieren, dass man nicht geliebt
wird, genauso wie man es lernen muss zu akzeptieren, dass man geliebt wird.
Gilbert - Lord Vere hat England mit seinem Regiment verlassen«, fügte er
schroff hinzu.
»Das tut mir leid«,
sagte Harriet, »aber ich konnte ihn nicht heiraten.« ,
»Es gibt nicht
viele Damen, die sich rühmen können, zwei gute Angebote abzulehnen, bevor die
Saison auch nur begonnen hat.«
»Wenn ich gewusst
hätte, dass Lord Vere meine Absage so schwer nimmt, hätte ich alles getan, um
ihn zu entschädigen«, sagte Harriet.
»Indem sie ihn
geheiratet hätten?«
»Nein. Lord Vere
ist ein Romantiker, und es wäre nicht fair gewesen, ihn mit einer Frau, die
ihn nicht liebt, zu belasten.«
»Aber Sie wären
ganz mit sich zufrieden gewesen, wenn er einem Ihrer Schützlinge einen
Heiratsantrag gemacht hätte?«
Harriet biss sich
auf die Unterlippe. »Vielleicht«, sagte sie. »Ich finde die Sorge für sie
erdrückend.«
»Und ich bin ein
Unmensch, dass ich Sie auch noch damit hänsele«, sagte er. »Genug! Es hat den
Anschein, dass uns die Götter nicht erlauben, getrennte Wege zu gehen. Wir
wollen Freunde sein, Harriet Metcalf.«
»Das fände ich sehr
schön«, sagte Harriet mit solch unschuldiger Überraschung in der Stimme, dass
er anfing zu lachen.
Er erhob sich und
streckte ihr die Hand hin. »Freunde also«, sagte er.
»Freunde«, kam das
Echo von Harriet, die ebenfalls aufstand und seine Hand ergriff.
Er lächelte auf sie
herab. »Ich werde Sie morgen besuchen, Miss Metcalf«, sagte er, »um zu sehen,
ob es Ihnen gutgeht.«
»Vielen Dank«,
erwiderte Harriet, und ihre Augen, die voller Vertrauen in die seinen schauten,
leuchteten vor Wärme und Liebe. Er verabschiedete sich und schickte seine
Kutsche voraus, weil er zu Fuß gehen wollte.
Er fühlte sich
schwindlig und benommen.
Er konnte sich
nicht erinnern, dass er in seinem ganzen bisherigen Leben je so lächerlich
glücklich war.
Zehntes Kapitel
Der Marquis of Huntingdon war enttäuscht,
dass er Harriet nicht allein traf, als er am nächsten Tag in Nummer 67 vorsprach. Sarah
und Annabelle waren da, mächtig herausgeputzt und bewaffnet mit Mappen voller
Aquarelle, die er bewundern, und Handarbeiten, die er begutachten musste. Er
war bloß froh, dass sich Nummer 67 nicht eines Klaviers rühmen konnte.
Die Mädchen fragten
ihn so schelmisch, wie junge Mädchen zu sein hatten, ob er auch der Ansicht
sei, dass auf dem Haus ein Fluch laste, es habe schließlich diesen Ruf. Er
antwortete, nein, er sei nicht der Ansicht. Sie fragten ihn, ob er Brummells
neueste witzige Bemerkung schon kenne, und er sagte, ja, er kenne sie, aber sie
wiederholten sie dennoch, und dann kicherten sie und schlugen neckisch mit den
Fächern aufeinander ein. Der Marquis wurde allmählich wütend auf Harriet.
Weitere Kostenlose Bücher