03 - Saison der Eifersucht
Hatte
sie nichts zu sagen? Musste sie mit diesem steifen Lächeln auf dem Gesicht
einfach so dasitzen, während ihn ihre Schützlinge zu Tode langweilten?
Schließlich hatte er das Gefühl, dass er Sarahs und Annabelles schelmische
Lustigkeiten nicht länger ertragen konnte, und verabschiedete sich. Er war ganz
froh, so redete er sich ein, dass sein albernes Verlangen nach Harriet Metcalf,
das einem Schuljungen angemessen war, verschwunden zu sein schien. Sie war
nicht mehr als ein verführerisch aussehendes kleines Ding, das sich im Leben
für nichts anderes interessierte als für ihren Hund und diese unausstehlichen
Zwillinge. Sie war sichtlich entschlossen, zwei schreckliche Mädchen zu lieben,
die sie nicht einmal gern hatten. Sie war eine Märtyrerin. Und wegen einer
solchen Frau kämpfte der arme Gilbert unter der heißen Sonne Spaniens!
Aber als er die
kurze Strecke von der Clarges Street zum Berkeley Square gegangen war, hatte
ihn das alte Verlangen schon wieder gepackt. Er wußte, dass sie am Abend ein
Ballfest in den Gesellschaftsräumen des Almack besuchen würde. Er mochte Almack
nicht dieses triste Haus mit dem schlechten Tanzboden und dem noch schlechteren
Essen. Er könnte, überlegte er, für eine halbe Stunde vorbeischauen.
Harriet fühlte sich
jetzt in der großen Welt sicher, sicher genug, um sich auf einen Abend im
Almack ohne Zittern vorzubereiten. Sie freute sich aufrichtig über ihr neues
Kleid mit Silberstickerei auf Tüll, unter dem sie ein Unterkleid aus weißem
Satin trug.
Harriet war stolz
auf sich. Wenn ihre verräterischen Gedanken nur nicht ständig so vulgär bei
Lord Huntingdons äußeren Vorzügen verweilen würden, könnte sie ihre Pflichten
als Anstandsdame noch aufrichtiger wahrnehmen. Wenigstens in dieser Beziehung
hatte sie Erfolg.
Annabelle und Sarah
hatten einige sehr angesehene Verehrer zwar war keiner von ihnen so hinreißend
wie Lord Vere oder Lord Huntingdon, aber es waren durchweg junge Männer
wohlhabender Familien.
Sie selbst war bei
den anderen Anstandsdamen beliebt und genoß es, mit ihnen auf den Bällen und
Gesellschaften zu plaudern.
Sarah und Annabelle
hielten es offensichtlich für diplomatisch, Harriet wie bisher zu behandeln,
Sie wirkten mäßig liebevoll, aber Harriet, die ihre wirklichen Gefühle kannte,
wäre es lieber gewesen, sie hätten ihre Abneigung nicht hinter diesem falschen
Getue versteckt.
Im Ballsaal
angekommen, wartete sie, bis die Zwillinge von ihren Partnern auf die
Tanzfläche geleitet waren, und ging dann zu der Reihe kleiner vergoldeter
Stühle hinüber. Sie lächelte, als sie die Baroness Villiers und Mrs. Cramp sah.
Zu ihrem Erstaunen
standen beide Damen auf, als sie Harriet auf sich zukommen sahen, und gingen
ohne ein Wort der Begrüßung weg. Sie blieben miteinander bei den Säulen unter
der Orchestergalerie stehen.
Völlig verwirrt
setzte sich Harriet und war sich der leeren Stühle rechts und links von ihr
schmerzlich bewußt. Sie lächelte den anderen Anstandsdamen schüchtern zu, aber
diese starrten sie nur hochmütig an und steckten dann die Köpfe zusammen, um
sich leise flüsternd zu unterhalten.
Ratlos wandte
Harriet ihre Aufmerksamkeit dem Tanzboden zu. Auch da gab es nur vorwurfsvolle
Blicke, nur Geflüster.
Sie schaute an
ihrem Kleid hinunter, weil sie fürchtete, dass die Bänder aufgegangen waren
Oder ein großer Fleck darauf war. In diesem Moment sah sie die dicke und
gemütliche Gestalt Lady Phillips.
Entschlossen, mit
wenigstens einer Freundin zu sprechen, eilte Harriet auf sie zu.
»Lady Phillips ...«,
begann sie, doch dann erstarb ihr das Wort auf den Lippen. Denn Lady Phillips
schaute sie erschreckt an, ihre pausbäckigen Gesichtszüge erstarrten, und sie
machte auf dem Absatz kehrt und ging weg. Es war eine unmissverständliche
Abfuhr.
Harriet zog sich
unglücklich auf ihren Stuhl zurück. Was in aller Welt war passiert?
Als der Marquis of
Huntingdon den Ballsaal betrat, schaute Harriet quer über den Saal zu ihm
hinüber und lächelte ihn angstvoll an. Er lächelte zurück und machte den
Eindruck, als wollte er den Saal durchqueren, um sich zu ihr zu setzen; aber
zwei Freunde riefen ihm etwas zu. Sie sprachen einige Zeit flüsternd mit ihm,
und dann schauten sie alle in Harriets Richtung. Der Marquis sah völlig
fassungslos aus.
Die Geschichte
wiederholt sich, dachte er verzweifelt. Denn war es nicht im Almack, wo er das
erste Mal von der Untreue seiner Frau erfuhr? Und war er nicht damals so
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