03 - Sarggeflüster
Weg ging; was ich tat, wann immer es mir möglich war, da sie mich in den Wahnsinn trieb. Diese Frau hatte mir mein Leben nach dem Tode geschenkt.
Das Mindeste -das Allermindeste -, das ich tun konnte, war, mit ihr zu reden.
Vor allem, da ich nicht gut aufhängen konnte, ohne dass sie es merkte und mir deswegen später die Hölle heiß machte.
Ich setzte ein Lächeln auf (nur für den Fall, dass sich herausstellen sollte, es handelte sich bei Big Brother eigentlich um Big Mama) und rief mir meinen Schlachtplan für genau diese Situation in den Kopf. Kurze, einsilbige Antworten.
Lass dich auf nichts ein. Das würde sie rasch entmutigen, sie würde einhängen, und ich wäre noch mal davongekommen.
„Ahm, hallo, Mom.“
„Nimmst du jetzt American Express oder nicht?“ „Nein.“ Definitiv einsilbig.
„Noch nicht.“ „Oh, nun ja, das spielt ja auch keine Rolle.“ „Uh-huh.“
„Ich dachte nur, ich frage mal nach, da dein Vater es vorzieht, wenn ich die American Express benutze, um die monatlichen Aufschläge zu vermeiden, die bei unseren anderen Kreditkarten fällig werden.
Aber damit wird er sich dann eben abfinden müssen.“
„Womit muss er sich abfinden?“ Augenblick mal, ließ ich mich da etwa gerade auf etwas ein?
„Ich möchte dich engagieren, Liebes.“
Joo, ich hatte mich schon eingelassen. Und was noch schlimmer war, ich hörte, wie ich es gleich noch mal tat. „Du willst mich engagieren?“ Ich erinnerte mich an die Uniform von Moe's - limetten - grünes Poloshirt und beige Dockers -, die in meiner Garderobe im Augenblick vor sich hingammelte, und zuckte zusammen.
Moe's ist das Familienunternehmen. Es geht um Kopierer. Es geht um Druckerei-Dienstleistungen. Es geht um Obersuper-riesen-Igitt.
„Ich hab dir doch schon gesagt, ich arbeite nicht für Dad. Ich weiß, es fällt dir schwer, das zu verstehen, aber ich habe höhere Ziele, als die Tonerpatrone in einem Kopierer zu wechseln oder irgendeinem Blödmann seine Abschlussarbeit zusammenzuleimen.“
„Wenn ich mir auch kein erfolgreicheres Unternehmen als Moe's vorstellen kann - deine Brüder sind alle Manager, und sie lieben ihren Beruf -, rufe ich dich doch wegen etwas anderem an.“
Puh, das war ja noch mal gut gegangen.
„Ich brauche deine Dienste als Partnervermittlerin.“
Was?
Mein Herz schlug auf einmal doppelt so schnell. „Aber du hast doch schon Dad.“ Ich öffnete den Mund, die Worte strömten einfach so heraus; sie purzelten über- und durcheinander, während Panik mich überströmte. „Ihr gehört jetzt seit fünfhundertzwei-undzwanzig Jahren zusammen. Ich bin ganz sicher, was auch immer er angestellt hat, ihr könnt das klären. Ihr könnt doch nicht ein halbes Jahrtausend wegwerfen, nur weil er die Zahnpastatube immer in der Mitte zusammendrückt oder mal eine Bierdose mit den Fangzähnen öffnet. Es sind doch gerade diese kleinen Eigenheiten, die ihn so besonders machen -“
„Lilliana“, unterbrach mich meine Mutter, aber ich war schon voll in Fahrt, völlig außer mir angesichts der Möglichkeit, dass meine Mutter tatsächlich meinen Vater verlassen könnte. Mit allem Schluss machen könnte. Bei mir einziehen könnte.
„Das kannst du nicht tun“, brach es aus mir heraus. „Ich weiß ja, dass Dad manchmal eine Nervensäge ist, aber das tut er ja nicht mit Absicht. Er ist einfach nur ein Exzentriker. Und ein Wichtigtuer. Und vielleicht manchmal ein arroganter Schnösel. Aber dafür kann er ja nichts, so ist er nun mal erzogen worden und -“
„Lilliana Arabella Guinevere du Marchette“, fuhr sie mich an und ich verwandelte mich auf der Stelle von einer fantabulösen, gut gekleideten Geschäftsfrau in eine fantabulöse, gut gekleidete Fünfjährige.
„Ja, Ma'am?“
„Ich verlasse deinen Vater nicht, auch wenn ich nicht leugnen kann, dass mir dieser Gedanke schon einmal durch den Kopf gegangen ist. Nachdem Viola seine Kettensäge gestohlen hat - die, mit der er normalerweise die Azaleen abschneidet -, führt er sich wie ein Besessener auf. Er hat einen ehemaligen Navy-SE AL für eine Such- und Rettungsmission angeheuert. Sie halten gerade in diesen Minuten ein Treffen im Poolhaus ab.“
„Haben sie vor, in Violas Haus einzubrechen?“
„Der SEAL, nicht dein Vater. Zumindest glaube ich, dass er ein SEAL ist.
Vielleicht meinte dein Vater ja auch diesen Sänger, der mit Heidi Klum verheiratet ist, und ich habe ihn bloß missverstanden.“
„Warum sollte Dad denn Seal anheuern, um gegen
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