03 - Sarggeflüster
Perlen und Stoffbahnen anstarrte, desto mehr ging es in meiner Vorstellung um mich statt um Mandy. Und desto mehr vermisste ich Ty.
Gewandelter Vampir. Gebürtiger Vampir. Absolut undenkbar.
Ich wusste, dass eine Zukunft mit Ty nicht im Bereich des Möglichen lag (zumindest nicht in dem meiner Mutter). Aber ich konnte diese Bilder einfach nicht unterdrücken, ganz egal, wie sehr ich es auch versuchte. Genauso wenig wie die Angst, die an mir nagte, und den Drang, Ash anzurufen. Schon wieder.
„Ich weiß, was du denkst“, erklärte Mandy, als sie eine Südstaatenschönheit-Monstrosität anprobierte. Shirley war nach hinten gegangen, um den dazu passenden Strohhut (jepp, Sie haben richtig gehört: Stroh) und Schleier zu holen. So waren wir zum ersten Mal allein, seit ich gekniffen hatte. „Ach ja?“
Sie nickte. „Du musst gar nichts sagen. Dein Gesichtsausdruck verrät schon alles.“
Mein Gesichtsausdruck verriet, dass ich mich nach einem gewandelten Vampir verzehrte?
„Ich seh es doch in deinen Augen.“
O nein!
„Du findest, ich sehe schrecklich aus.“ Sie drehte sich zum Spiegel um und warf ihre Hände angewidert in die Luft. „Vielleicht sollten wir das Ganze einfach vergessen. Ich werde nie ein passendes Kleid finden. Das Hotel hat uns rausgeschmissen, und alle anderen anständigen Hotels sind ausgebucht.
Der einzige Ort, der an unserem Hochzeitstag noch was frei hat, ist der Hamburgerladen von Onkel Nino. Er würde Pommes mit Chili und Käse servieren.“ Sie schniefte. „Und ich fange an zu glauben, dass mich deine Mutter hasst.“
„Wie kommst du denn auf die Idee?“ Musste wohl an ihrem messerscharfen Verstand liegen.
Sie zuckte die Achseln, die labbrigen Ärmel des weißen Kleides sackten herunter und schlabberten ihr um die Arme. „Sie spricht nie mit mir. Zuerst dachte ich, das liege daran, dass wir uns noch nicht richtig kennen, aber inzwischen war ich schon bei jeder Menge Jagden dabei, und ich hab immer wieder versucht, mich mit ihr zu unterhalten. Sie aber hat einfach nicht angebissen.“
„Das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen.“
„Kann schon sein.“ Sie zuckte noch einmal die Achseln. „Aber sie starrt mich auch andauernd an, so als ob sie mich nicht ausstehen könnte. Was meinst du denn?“
Da war sie. Meine Chance, ein für alle Mal reinen Tisch zu machen - danach müsste ich nicht mehr vollkommen allein die Bürde meiner Mutter tragen. Ich würde Mandy einfach erklären, wie sehr meine Mutter sie verabscheute, und dann würden wir weitersehen. Das Mädchen hatte das Recht, Bescheid zu wissen. Ich meine, also ehrlich, ich würde wissen wollen, ob mich die Mutter der Liebe meines Lebens abgrundtief hasst. Glaube ich.
„Sie hasst dich nicht“, versicherte ich ihr. „Wieso sagst du das?“
Ja, warum bloß? „Sie wird einfach nicht so schnell warm mit anderen Leuten.“
Okay, technisch gesehen war sie ein lauwarmer Vampir, der niemals warm werden würde, aber das war jetzt nicht der Punkt. „Gib ihr einfach noch ein bisschen Zeit.“
„Sie denkt nicht, dass ich gut genug für ihn bin.“
„Nein, das tut sie wirklich nicht.“
Unsere Blicke trafen aufeinander. „Ich wusste es!“
„Sie findet, du bist zu gut für ihn. Bitte versteh mich nicht falsch, Mandy, aber Jack ist ein richtiges Arschloch. Glaub mir, ich hab's oft genug erlebt. Wir alle wissen das. Sie möchte einfach nicht, dass du eines Tages aufwachst und dir klar wird, dass du einen Riesenfehler gemacht hast.“ Okay, das war jetzt eigentlich meine Angst und nicht die meiner Mutter, aber wer würde sich schon an solchen Kleinigkeiten stören? „Sie möchte einfach nur ganz sicher sein.“
„Ich weiß, wie Jack früher war. Ich meine, ich hab es nie selbst erlebt, aber ich habe davon gehört. Ein Aufreißer. Hat jedes Wochenende mit einer anderen geschlafen.“
Ich nickte. „Und in der Woche auch.“
„Aber er hat sich geändert. Er ist ein wunderbarer Mann. Pflichtbewusst.
Liebevoll. Und jeder verdient eine zweite Chance, findest du nicht auch?“
Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Sogar ein Weiberheld wie Jack.“
„Bist du sicher?“
Sie schien zu überlegen. „Weißt du was? Ich bin sicher.“ Sie straffte die Schultern. „Genau genommen war ich mir in meinem ganzen Leben noch niemals einer Sache beziehungsweise einer Person dermaßen sicher.“ Sie warf mir einen freimütigen Blick zu. „Ich weiß, ich tue das Richtige, wenn ich ihn heirate. Tief in meinem
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