03 - Schatten Krieger
führte eine breite, schlichte Treppe zu einem offenen Tor in den Felsbefestigungen, vorbei an zwei schlanken und offenbar nicht besetzten Wachtürmen.
Die maskierte Frau saß auf einer niedrigen Mauer, die sich bis zum Fuß der Klippentreppe erstreckte, und beobachtete Calabos aufmerksam.
»Was werdet Ihr tun, wenn Ihr siegt?«, erkundigte sie sich. »Werdet Ihr alle Gefangenen aus dem Weißen Gefängnis befreien und sie durch uns ersetzen?« Sie fröstelte delikat. »Es wäre interessant, sie zu sehen, wenn sie herauskommen.« Sie schaute über die Schulter zu den Felsen. »Manchmal, wenn ich hier oben bin, höre ich sie rufen und weinen …« Sie stand auf, trat an die Balustrade und starrte in das Nachtreich hinaus. »Ich lebe schon viel zu lange, habe zu viel gesehen und beherberge zu viele Erinnerungen. Vielleicht solltet Ihr mich doch töten. Der Halbtod könnte eine Gnade sein, wenn es so etwas für jemanden wie mich gibt…« »Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich Erfolg habe«, erwiderte Calabos. »Auf jeden Fall wird sich hier alles verändern …«
»Ihr könntet auch Euer Gesicht verändern«, sagte sie. »Oder meines … Würdet Ihr das für mich tun?« Er starrte sie an, während eine vage Ahnung sich in ihm regte.
»Da Ihr mein Gesicht gesehen habt«, sagte er schließlich statt einer Antwort, »könntet Ihr mir da nicht Eures zeigen, damit ich die richtige Entscheidung treffen kann?«
»Wie Ihr wünscht, Herr.«
Sie setzte graziös die gefiederte Maske ab. Und dahinter verbarg sich tatsächlich … Suviel Hantika. Calabos lächelte traurig, setzte sich den Helm des Schwarzen Ritters auf den Kopf und richtete sein Schwertgehänge.
»Gebt auf Euch Acht, Mylady«, sagte er leise. »Ich bin nicht der, für den Ihr mich gehalten habt, aber wenn Byrnak tatsächlich hierher kommt, wird er nicht zögern, Euch Euren ersten Wunsch zu erfüllen.« Ohne ein weiteres Wort ließ er sie stehen und stieg die Treppe hinauf, die zu den Traumhöfen des Großen Schatten führte.
Nachdem er Tashil und Ayoni verlassen hatte, war Coireg kurz davor gewesen, gegen seine schreckliche Pflicht aufzubegehren. Aber er hatte Besarl und den anderen bereits die Richtung genannt, in die ihre Reise ging. Während er mit seiner Furcht und seinen Zweifeln kämpfte, flog die treue Dämonenbrut ihn über den Nachthimmel nach Besh-Darok.
Sie überquerten den dunklen Großen Kanal, die breite Wasserstraße, die durch die Niederlage der Schattenkönige geschaffen worden war, als die fürchterlichen Zitadellen von Gorla und Keshada und ihre gewaltigen Bastionen in die Tiefe gesunken waren. Einige Momente später schimmerte nur noch das schwache Grau der Fäulnis unter ihnen. Es wirkte wie ein glattes Tuch, dessen flache Senken und niedrige Erhebungen die einzige Spur von Orientierungspunkten waren. Die Dämonenbrut schwenkte nach Norden ab, und kurz danach tauchte aus dem Dunkel ein breiterer Abschnitt des Kanals auf. Hier wölbten sich die beiden Ufer nach außen, denn an dieser Stelle hatte einst vor drei Jahrhunderten Keshada gestanden.
Die Dämonenbrut wurde langsamer, und Besarls Stimme durchdrang das Rauschen ihrer Schwingen. »Ist das nahe genug, Freund Coireg?«
»Ja, aber sollten wir nicht vielleicht ein wenig tiefer …?«
Besarl lachte. »Keine Sorge, wir werden unseren Griff nicht lösen. Schon bald werdet Ihr mit uns im Schlund der Zeit durch die Vergangenheit wandeln.«
Coireg nickte und redete sich ein, dass er sich sicher und ruhig fühlte, obwohl sein Magen brannte und sein Herz heftig hämmerte. Er wusste, dass Hauptmann Ondene diesen Sprung durch die Zeit ebenfalls erlebt hatte, genauso wie Calabos. Der Bericht des Poeten ging ihm durch den Kopf, vor allem der beunruhigende Teil davon. Coireg versuchte unterdessen, sich selbst einzureden, dass er sich auf das Ungewisse freute. »Nun, Freund Coireg«, unterbrach Besarl seine vergeblichen Anstrengungen,»… schließt fest Eure Augen!« Noch während Coireg gehorchte, veränderten sich seine Sinneseindrücke. Er hatte das Gefühl, als würde er sich sehr schnell im Kreis bewegen. Obwohl er die Augen fest zusammenkniff, sickerten graue Fäden von beiden Seiten unter seine Lider. Sie wurden silbrig, als sie sich miteinander verwoben, dann weiß, als sie sich ins Zentrum seiner Netzhäute wanden. Dann schnellte ihr spiralförmiger Mittelpunkt auf ihn zu, und er schrie auf, als sein Gleichgewichtssinn versagte und er heftig vor und zurück schwankte. Seine eigene
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