03 - Schatten Krieger
eine Reihe von Kammern, in denen Paare mit verschiedenen Waffen kämpften. Einige der Personen kamen ihm bekannt vor, andere waren ihm fremd. Wie zuvor glichen die Kämpfe eher einem einstudierten Tanz denn einem echten Kampf. Sobald jedoch ein Blutstropfen floss, verwandelten sich die galanten Sträuße in mörderischen Wahnsinn. Er sah eine Alael und einen Atroc, die sich mit langen Messern bekämpften. Bei diesem Anblick gefror ihm das Blut in den Adern.
Danach bat er sie, ihm den kürzesten Weg zu seinen eigenen Höfen zu zeigen. Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick zu und führte ihn durch einen blau gesprenkelten Flur, dessen dunkle Wandbehänge belebte Szenen darstellten. Sie kamen an einem Raum vorbei, in dem blutrote Statuen mit eisernen Stimmen in einem unmenschlichen Chor sangen, durch eine mit Juwelen besetzte Kammer, an deren Decke Hunderte von Gliedern und Köpfen hingen und zappelten, über eine schwarzsilbern geflieste Empore, an deren Wänden große und kleine Münder sprachen, murmelten oder knurrten. Als sie eine Wendeltreppe hinaufstiegen, blieb die Frau ein paar Schritte vor Calabos stehen, drehte sich dann herum und warf ihm ein schlaues Lächeln zu.
»Vieles an Euch erscheint mir rätselhaft«, sagte sie, »und gibt mir zu denken … Ich glaube, Ihr seid gar nicht der Große Schatten.« Sie legte ihm mit sanfter Anklage einen Finger auf seine gepanzerte Brust. »Ich glaube, Ihr seid der andere, Byrnak… Ja, Ihr seid der Herr des Zwielichts aus der anderen Welt, und Ihr seid ins Nachtreich gekommen, um ihm seine Macht zu entreißen, während er gerade Eure Welt erobert! Welch eine Kühnheit!« Er lächelte. »Ihr seid wahrlich sehr scharfsinnig. Fürchtet Ihr Euch nicht, dass ich Euch töten könnte, um mein Geheimnis zu bewahren?«
Sie rümpfte ihre vornehme, kleine Nase. »Euer Geheimnis ist bei mir sicher, mächtiger Byrnak. Nur ich erkenne Euer Gesicht, weil ich die älteste Gattin des Generals der Dämmerung bin. Der Allerhöchste hat diese Verkleidung das letzte Mal vor mehr als zweitausend Jahren angelegt. Seitdem neigt er dazu, zu seiner eigenen Unterhaltung Gesichter zu vermischen und zu verschmelzen.«
»Zweitausend Jahre?«, fragte Calabos unvermittelt.
»Ja. Es scheint, dass die Zeit hier schneller läuft als in Eurer Welt, und sie vergeht seit dem Triumph noch schneller. Das muss vor ungefähr dreitausend Jahren gewesen sein … oder viertausend? Und was Euer Vorhaben angeht, mich zu töten … Nun, offensichtlich lebe ich ja noch!«
Sie lächelte vergnügt und ging weiter die Treppe hinauf. Er folgte ihr, während er über die Zeit nachdachte. Wenn sich die drei Jahrhunderte, die seit dem Schattenkönig-Krieg vergangen waren, hier zu dreitausend Jahren gedehnt hatten, war es möglich, dass nicht mehr als ein Tag verstrichen war, seit er und die Dämonenbrut durch das Schattenportal getreten waren. Falls Tashil und die anderen tatsächlich noch aushielten …
»Habt Ihr etwas von dieser Invasion in die andere Welt gehört?«, fragte er. »Läuft sie gut?« Sie zuckte mit den Schultern. »Es werden immer noch Einheiten der Schwarzen Horde durch die Portale geschickt, und mein Gatte teilt seine Zeit zwischen der Führung der Invasion und der Verteidigung dieser Zitadelle auf.« Sie lachte. »Wie amüsant! Er erwartet Euch dort unten auf den Zinnen, und Ihr seid bereits hier oben nahe dem Gipfel…!«
Vom Ende der Treppe gelangten sie in eine weite, ovale Kammer, in der es dunkler und kühler war als in den Stockwerken darunter. Kleine Lampen in Wandnischen tauchten die fünfeckigen Fliesen in ein kaltes Licht und beleuchteten auch die Halbreliefs mit Kriegsszenen an den Wänden. Eine Rampe aus flachen Stufen führte von der Wand zu einem großen, offenen Bogengang, und als sie hindurchgingen, schlug ihnen eisige Luft entgegen. Der Gang führte durch dunkle Schatten und eine weitere Rampe hinauf zu einer breiten Plattform unter dem freien, glitzernden Himmel des Nachtreichs. Vor ihnen entfaltete sich entlang des östlichen Felsmassivs ein faszinierender Anblick. Befestigungen und Türme schmiegten sich zur Linken an die Klippen, während sich nach rechts das gesamte Nachtreich zu ihren Füßen ausbreitete. Es war ein Schwindel erregender, erstaunlicher Anblick, ein Teppich aus Gebäuden, eine gefrorene Lawine aus Städten, deren sanft ansteigende Dächer und Türme und Lampen sich in der Ferne verloren und zu einem dunklen Schimmer verschwammen. Links von dem Bogengang
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