03 - Schatten Krieger
amüsiert, bevor er sich zu der Felswand und dem Nackten herumdrehte. »Gut. Machen wir also weiter.«
Der bis auf die Kapuze unbekleidete Mann hatte während ihres Gesprächs keinen Laut von sich gegeben und sich auch nicht bewegt. Er rührte sich auch nicht, als Jumil die Hand auf das dunkle Gestein legte und einen Zauber sprach. Ein kalter Schauder überlief Vorik, als der Hexer Silben in einer uralten Sprache anstimmte, die noch aus der Zeit vor dem Fall Jagreag's stammte. Plötzlich tauchten helle Linien auf Jumils nacktem Oberarm auf und bildeten ein Netzwerk aus brennenden Adern um sein Handgelenk. Sie wanden sich über seinen Handrücken und wurden heller, als sie seine Finger überzogen und sich von der Stelle, wo er sie auf den Stein presste, über das Felsgestein ausbreiteten.
»Der Ruf wird erschallen«, murmelte Jumil, »und der Ruf wird vernommen. Calabos und sein Abschaum werden ihn hören, aber nur er wird wissen, was er bedeutet.« »Was bedeutet er denn … Erlauchter?« Jumil schaute ihn scharf an und lächelte dann kalt. »Du kennst das Märchen, das sich die Illusionisten über den Untergang des Herrn des Zwielichts erzählen …?«
»Ja.« Vorik wusste nicht genau, worauf sein Meister hinauswollte. »Die letzte Schlacht in den Schlünden der Leere, Tauric L, der unseren Gebieter auslöscht…«
»Genau das. Nur wurde der Herr des Zwielichts nur verbannt, nicht vernichtet. Die Märchenerzähler knüpfen zwar einen komplizierten Teppich aus Fantasien, aber sie wissen nichts von den Zerbrochenen, den Dienern des Großen Schatten. Nun, schon bald werden ihre Lügen offenbar und zerplatzen dann, wie die dreihundert Jahre alten Larven, die sie sind … ah, endlich ist der Fels bereit.«
Die glühenden Linien hatten sich in einem scheinbar ziellosen Zickzackmuster über die Wand ausgebreitet, bis ein Teil des Gesteins einem merkwürdigen Mosaik glich. Jumil ließ seine Hand schlaff an seiner Seite hinunterfallen, hob dann die andere und zog dem Nackten die Kapuze herunter. Vorik kniff die Augen zusammen, als er einen der vier Männer erkannte, die er vor einigen Tagen rekrutiert hatte. »Siehe, meine Verbindung, mein Kanal zu den Knochen, der Lebensader dieses Landes!« Jumil versetzte dem Nackten einen Stoß in den Rücken. »Geh, und betritt diese zwiespältige Umarmung!«
Der Mann machte einen Schritt nach vorn und trat direkt in die Wand. Vorik schaute fasziniert zu. Hell umrandete Abschnitte der Felsoberfläche bewegten sich und wichen zur Seite, als ruhten sie auf einer zähen, gallertartigen Masse. Schon bald war Jumils Sklave, sein Opfer, zur Hälfte in die Felswand eingetaucht. Ein Bein war darin versunken, ebenso beide Arme bis zu den Ellbogen. Dann verschluckte der Stein auch das andere Bein, sein Kreuz, und darauf erst eine Schulter, danach die andere … Jumil murmelte mit tiefer Stimme einen Befehl, und der Mann rührte sich nicht mehr.
Voriks Furcht vor dem, dessen Zeuge er wurde, rang mit seiner Gier nach einer ebensolchen Macht. Jumil schenkte ihm einen kurzen Seitenblick. Er verzerrte vor Anstrengung das Gesicht, während hellrotes Licht aus seinen Augen und seinem Mund strahlte.
»Vergiss nicht«, sagte er. »Trage mich zu der Kammer der Hüter, und lege mich neben das Gesicht des Großen Schatten.«
»Es wird so geschehen, Erlauchter«, erwiderte Vorik.
Jumil nickte kurz und drehte sich dann zu der Wand um, aus der nur noch die Schulterblätter, der Hals und der Hinterkopf des nackten Mannes herausragten. Er stimmte einen tiefen, dröhnenden Gesang an, der immer eindringlicher anschwoll, während sich das merkwürdige Strahlen in seinen Augen und seinem Mund verstärkte. Schon bald glühten sie in einem weißen, leuchtenden Feuer. Jumil schwankte, und seine geballten Fäuste verrieten die Anstrengung, die ihn diese Anrufung kostete.
Seine Stimme schraubte sich höher, und der Gesang endete in einem unverständlichen, zweisilbigen Wort. Das Licht der Fackeln schien von dem Feuer ausgelöscht zu werden, das in diesem Moment aus Jumils Augen in den Hinterkopf des gefangenen Mannes fuhr. Der Boden der Kammer bebte, und ein ächzendes, tosendes Geräusch übertönte alles andere. Es wurde zu einer tiefen, dröhnenden Stimme, die den Staub auf dem Boden vibrieren ließ. Selbst die Luft in Voriks Lungen schwang im Rhythmus der Silben mit.
Blankes Entsetzen überwältigte den Hauptmann, als diese furchteinflößende Stimme in einem tiefen Bass unaufhörlich dieselben Worte
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