03 - Schatten Krieger
das die Henker der Stadt veranlassen sollte, die Hauswände mit Steckbriefen von Euch zu schmücken …«
»Ihr solltet mehr auf den Klatsch über den Adel achten, Inryk.« Der sechste Magierwächter war eine elegante, dunkelhaarige Frau, Gräfin Ayoni. »Dann wüsstet Ihr, dass die ehemaligen Besitzungen der Ondenes dem Haus dor-Galyn … verliehen wurden, deren Sohn zudem als Hauptmann in der Ehernen Garde dient.« Sie betrachtete Corlek gleichmütig. »Der wiederum weiß, dass sich Baron Ondenes letzter lebender Nachkomme in Sejeend aufhält und folglich …«
Corlek Ondene nickte kurz, als wollte er ihre Worte bestätigen, doch Inryk war nicht zufrieden. »Das ist ja alles gut und schön, aber wieso ist er hier?«
Alle Blicke richteten sich auf Tashil, doch bevor sie anfangen konnte, von den Ereignissen der vergangenen Nacht zu berichten, hörte man, wie in der Vorkammer eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde und sich Schritte der geschwungenen Tür des Salons näherten.
»Ah, Calabos ist da«, sagte Sounek. »Jetzt bekommen wir endlich einige Antworten.«
Doch nicht Calabos trat ein, sondern ein größerer Mann, der sich unter dem Türsturz bücken musste. Er trug einen schlichten, langen, taubenblauen Mantel und eine einfache graue Kappe. Seine Ausstrahlung jedoch ließ alle Anwesenden verstummen. Sein silbergraues Haar war kurz geschnitten, ebenso wie sein gestutzter Vollbart. Dies und sein wettergegerbtes, knochiges Gesicht verliehen ihm eine Aura der Autorität.
Der Blick seiner blassen, graublauen Augen, deren Farbton irgendwo zwischen Eis und Asche lag, war hart und erbarmungslos.
»Gut.« Seine Stimme klang gelassen und etwas barsch. »Alle sind da, bis auf den Poeten.«
Das Eindringen dieses Fremden überraschte Tashil, und es verblüffte sie, dass die anderen Magier angespannt und wachsam auf ihn reagierten. Sie betrachteten den Neuankömmling schweigend, der ihre Blicke mit einem verächtlichen Lächeln erwiderte. Bevor sie ihn nach seinem Namen fragen konnte, sprach Sounek. »Das hier ist ein privates Treffen, Herr«, sagte er. »Offenbar habt Ihr Euch im Haus geirrt.« »Nein, Sounek, ich bin hier ganz richtig«, antwortete der Mann.
»Ihr habt mich wohl missverstanden, Herr. Ich bin Ven Hortis, ein Antiquitätenhändler aus Scarbarig …« »Sounek aus Tymora«, unterbrach ihn der Mann scharf. »Geboren in eine Familie von Fassmachern, im Alter von elf Jahren weggelaufen, Student in der Grünen Halle von Tobrosa, von meinem Vorgänger vor einunddreißig Jahren in den Orden der Magier aufgenommen, hat diesem Orden vor acht Jahren abgeschworen, um sich den Wächtern anzuschließen …«
»Ihr seid nicht auf ein herzliches Willkommen aus, Tangaroth«, sagte Chellour ärgerlich.
Tangaroth?, staunte Tashil. Der Erzmagier? Hier?
»Ah, Nyls Chellour, jüngster Sohn eines Taschendiebes aus Adnagaur, Mündel im Haus der Gilden, zum Schreiber und Illustrator ausgebildet, bevor ein Magierbruder im Erden-Muttertempel sein Potenzial erkannte und ihm half, ein Eingeweihter zu werden. Vor fünfundzwanzig Jahren in den Orden der Magier aufgenommen, hat ihn jedoch vierzehn Jahre später verlassen …«
Er betrachtete sie der Reihe nach. »Ich kenne jeden Einzelnen von Euch, weiß, was Ihr wart und wofür Ihr Euch haltet. Ich kenne selbst Euren leichtsinnigen jungen Gast dort drüben …«
»Das tut Ihr nicht, Tangaroth«, ertönte eine vertraute Stimme von der Tür. »Ihr kennt vielleicht Einzelheiten aus ihrem Leben, aber Ihr kennt sie nicht so, wie ich es tue …«
Erleichtert sah Tashil, wie Calabos den Raum betrat, sich mit einem Schulterzucken seines feuchten Umhangs entledigte und ihn über eine freie Stuhllehne warf, bevor er sich vor dem unwillkommenen Besucher aufbaute. Die beiden Männer maßen sich einen Moment mit ihren Blicken, bevor Calabos das Schweigen brach. »Was wollt Ihr hier, Tangaroth?«, fragte er. »Drohungen ausstoßen und die einzigartigen Versprechungen der Krone herunterleiern, oder gibt es einen triftigen Grund?«
»Ihr und Eure Wächter werdet von uns nur toleriert, Calabos«, antwortete der Erzmagier. »Vergesst das nicht. Ihr seid Renegaten, Ausgestoßene, und die Nachkommen von Feinden …«Bei diesen Worten warf er Tashil einen kurzen Blick zu. »Nur Eure eher geringe Nützlichkeit hat Euch bisher vor den Verliesen des Kaisers bewahrt.«
Der boshafte Seitenhieb des Erzmagiers löste in Tashil eine seltsame Mischung aus Furcht und Wut aus. Einige andere
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