03 - Sinnliche Versuchung
angefahren hatte. Warum, fragte er sich. Warum?
Alle Kraft schien
aus ihr gewichen zu sein. Dane saß im Sessel vor dem Feuer und hielt sie im
Arm. Sie hatte das Gesicht an seinen Hals geschmiegt und schluchzte herzzerreißend.
Dane war verzweifelt. Er wusste nicht wie ihm geschah. Ein bisher verborgener
Winkel seiner Seele hatte sich gerührt.
Er ließ sie weinen,
bis sie völlig erschöpft war. Tröstend strich er ihr mit der Hand über den
Rücken.
Mit der anderen schob
er ihr eine feuchte Locke hinters Ohr. »Julianna?«, fragte er leise. »Woran
hast du gedacht? Was ist geschehen?« Er zögerte und blickte sie fragend an.
Julianna zitterte.
Sie zitterte, als ob sie in einen Schneesturm am Nordpol geraten wäre. Dane
nahm ihre Hände. Sie waren eiskalt. Er rieb sie und versuchte sie zu wärmen.
»Erzähl es mir,
Kleines.«
Sie blickte ihn aus
tränennassen Augen an. »Er hat sie umgebracht«, sagte sie hölzern.
»Wer?«, fragte er
vorsichtig. »Was?«
Sie schluckte hart.
»Mein Vater«, schluchzte sie. »Er hat meine Kätzchen umgebracht.« Sie zögerte,
als fiele es ihr schwer weiterzusprechen. »Er hat sie ertränkt, Dane. Er hat
sie ertränkt!«
»Was ist geschehen?«,
fragte Dane ruhig.
»Ich war ungefähr
acht oder so. Ich ... wir lebten in Thurston Hall auf dem Land. Meine Brüder
waren in der Schule. Die Stallkatze brachte Junge zur Welt. Sie waren so
niedlich. So süß. Zwei waren schneeweiß, eine getigert wie die Mutter. Ich
fragte meinen Vater, ob ich eine für mich behalten könnte. Ich ... ich war
ziemlich allein, weißt du. Aber er sagte, er möchte diese Viecher nicht in
seinem Haus haben, sie seien schmutzig und voller Ungeziefer und gehörten in
den Stall zu den Mäusen. Ich hörte nicht auf ihn. Sie waren so niedlich. Als
sie alt genug waren, um sie der Mutter wegzunehmen, habe ich sie heimlich zu
mir genommen. Ich hatte so viel Freude an ihnen. Sie brachten mich ständig zum
Lachen, wenn eine dem Schwanz der anderen nachjagte. Sie hießen Alfred, Rebecca
und Irwin. Ich habe Mutter und Kind mit ihnen gespielt. Sie waren meine Babys.
Ich habe ihnen vorgesungen und habe sie gescholten ... sie schliefen sogar bei
mir im Bett.« Ein Lächeln huschte über ihr Lippen.
Leider verschwand
es zu schnell.
Sie fuhr fort.
»Aber mein Vater ... eines Tages entdeckte er sie in meinem Zimmer. Er war
wütend. Er tobte und brüllte. Ich war unfolgsam gewesen. Und er war nicht der
Mann, der dies durchgehen ließ, bei keinem seiner Kinder. Ich musste also
bestraft werden.«
»Großer Gott! Und
zur Strafe hat er deine Kätzchen ertränkt?«
Sie nickte.
Dane fluchte
innerlich. Jetzt verstand er, warum sie nicht Kätzchen genannt werden
wollte.
Aber damit war es
noch nicht geschehen.
Er hörte ihr
schweigend zu, als sie weitersprach. »Er steckte sie in einen Sack und packte
meine Hand. Auf dem Weg zum Fluss habe ich nur geschrien.« Sie stockte. »Er ...
hat mich gezwungen zuzusehen. Zuzu hören.« Große Tränen rollten ihr die
Wangen herunter. Sie hielt sich mit den Händen die Ohren zu, rollte sich
zusammen und schmiegte sich an ihn.
Ihm stand das Herz
still. »Oh, Gott«, flüsterte er und spürte, wie er blass wurde ... und ihren
Schmerz wie einen Messerstich nachempfand.
Danes Lippen
pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. Innerlich kochte er. Eine
grenzenlose, dumpfe Wut erfasste ihn. Zur Hölle mit diesem Kerl, der ihr Vater
gewesen war! Hätte der Elende jetzt vor ihm gestanden, so hätte er ihn mit
Vergnügen erwürgt. Wie konnte ein Mensch seinem Kind so etwas antun?
»Wahrscheinlich
hältst du alles für albern«, kam es gedämpft von seiner Schulter.
Er strich ihr über
den Rücken, in beruhigender Gleichmäßigkeit. »Nein, um Gottes willen, nein.«
Arme mitfühlende Julianna, die sich stets um die Tiere gekümmert hatte ... und
dann das. Er konnte ihre Verzweiflung verstehen und dass es sie jetzt noch
schmerzte. Nach dieser Schilderung war ihre Kindheit so ganz anders als die
seine verlaufen.
Eines gab ihm zu
denken. Wenn er sie näher betrachtete, erstaunte es ihn mehr denn je, dass sie
keinen Ehemann gefunden hatte - dass sie unverheiratet war. Nicht nur
allein ihrer Schönheit wegen. Sie besaß ein liebenswertes Naturell, das sie von
innen her durchdrang. Sie war zur Frau bestimmt, zur Mutter, die ihre Kinder
in den Armen hielt, so wie sie es mit ihren Kätzchen getan hatte.
Er hätte es wissen sollen.
Hinter ihrer Weichheit verbarg sich Stärke und unter dem Mantel
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