03 - Winnetou III
nicht.“
„Man braucht es nicht zu wissen, denn man kann es sich denken; es ist sehr leicht.“
„Nun, was denkt Ihr Euch, Mr. Jones?“
„Wer ein Freund des Feindes aller Weißen ist, muß diesem wohl bewiesen haben, daß er sich auch nichts aus dem Leben eines Weißen macht, und man hat also alle Veranlassung, höchst vorsichtig gegen ihn zu sein. Habe ich da recht oder nicht?“
„Es klingt wenigstens so, daß es sich hören läßt. Habt Ihr noch anderes vorzubringen?“
„Ja, das, was ich schon einmal gesagt habe.“
„Daß er die zwei Roten erschossen hat?“
„Ja.“
„Da wißt Ihr, daß ich ihm das gar nicht übelnehme. Das ist in meinen Augen gar kein Grund, ihm zu mißtrauen und ihn für einen schlechten Kerl zu halten.“
„Fühlt Ihr denn nicht, daß Ihr Euch da selbst ein schlechtes Zeugnis gebt?“
„Nein. Die Indianer sind alle Halunken, welche ausgerottet werden müssen!“
„Sie sind Menschen, welche auch ihre Rechte besitzen, die wir achten müssen!“
„Ihr sprecht da außerordentlich human. Aber selbst wenn Ihr recht hättet, könnte ich nicht einsehen, warum der Tod von zwei Roten gar so etwas Unverzeihliches sein soll.“
„Nicht – – –?“
„Nein. Man muß alles von der praktischen Seite nehmen. Vielleicht habt Ihr so viel Einsicht, zuzugeben, daß die Roten dem Untergang geweiht sind?“
„Leider kann ich das nicht bestreiten.“
„Nun, wenn sie alle vom Erdboden verschwinden müssen und unrettbar verloren sind, so ist es sehr gleichgültig, ob zwei von ihnen einige Tage eher zu Grunde gehen, als es ihnen eigentlich bestimmt gewesen ist. Das ist der praktische Standpunkt, auf welchem ich stehe. Von diesem aus ist derjenige, der ihren Tod herbeigeführt hat, kein Mörder, sondern er hat dem Schicksal nur ein wenig vorgegriffen.“
„Eine sonderbare Sache, diese praktische Moral! Seht Ihr das nicht ein?“
„Vielleicht ja. Aber es könnte Euch nicht schaden, wenn Ihr sie Euch auch aneignen wolltet.“
„Well, so will ich mich einmal auf diesen Euern Standpunkt stellen. Meint Ihr, daß Mr. Santer nicht auch von diesem aus zu verdammen ist?“
„Gewiß nicht.“
„O doch! Also, daß er den Häuptling der Apachen und seine Tochter überhaupt erschossen hat, soll keine Sünde sein; ich will einmal so tun, als ob diese Ansicht auch die meinige sei; aber nun kommt die höchst praktische Frage: Warum hat er sie erschossen?“
„Nur um den Ort zu erfahren, an welchem sie ihr Gold versteckt hatten.“
„Nein, deswegen nicht!“
„Nicht? Weshalb denn?“
„Um den Ort zu erfahren, brauchte er ihnen das Leben nicht zu nehmen. Wenn er sie ruhig gehen ließ und nach ihrer Entfernung untersuchte, wo sie gewesen waren, hätte er den Ort wahrscheinlich gefunden. Er hat Euch ja gesagt, daß sie sehr rasch zurückgekehrt seien. Bei der Schnelligkeit und Eile, mit welcher sie verfahren sind, haben sie sich wohl kaum die Zeit genommen, ihre Spuren so sorgfältig auszulöschen, daß sie nicht mehr zu erkennen waren. Sie hatten auch keine Veranlassung dazu, gar so vorsichtig zu sein, denn sie glaubten sich ganz allein auf den Mugworthills zu befinden. Ihre Fährte hätte ihn gewiß an den betreffenden Ort geführt. Das habe ich schon einmal erwähnt.“
„Ändert aber nichts an der Sache. Wenigstens weiß ich nicht, wie Ihr denken könnt, meine Ansicht damit umzuwerfen, Mr. Jones.“
„Werdet es gleich hören, Mr. Gates. Er hat die beiden nicht erschossen, um das Versteck zu entdecken, sondern um die Nuggets zu bekommen, die sie geholt und also bei sich hatten.“
„Meinetwegen! Ist ganz dasselbe!“
„Ja, für ihn und die Erschossenen ist das ganz gleich, aber für uns wohl nicht.“
„Warum nicht?“
„Was meint Ihr wohl, wieviel Gold in dem Versteck gewesen ist? Wenig?“
„Viel, sehr viel jedenfalls! Ich kann es zwar nicht beweisen, aber es ist leicht zu denken.“
„Ich kann es beweisen.“
„Ihr?“ fragte er verwundert.
„Ja. Man braucht nur ein wenig nachzudenken. Auch wenn man die Mugworthills nicht kennt, kann man annehmen, daß in jener Gegend kein natürlicher Fundort des Goldes vorhanden ist; es muß hingeschafft worden sein. Und wenn Indianer sich einmal die große Mühe geben, ein solches Depot anzulegen, so tun sie dies gewiß nicht um einer Wenigkeit willen.“
„Nein; das ist richtig.“
„Also es hat viel, sehr viel Gold dort gelegen. Was Winnetou und sein Vater sich geholt hatten, war nur ein kleiner Teil davon.
Weitere Kostenlose Bücher