0301 - Todestrunk im Whisky-Keller
Lundgren-Fall vernommen hatten. Judith Sterling begrüßte uns ernst.
»Warum haben Sie Nick Moreno verhaftet, Agent Decker?«
Phil zuckte die Achseln. »Ich hatte keine andere Wahl, Miss Sterling.«
»Ich halte Nick für unschuldig.«
»Warum?«, fragte Phil.
Sie mache eine verlegende Geste. »Es ist einfach Gefühlssache.«
Ich sah mich im Salon um. »Vielleicht haben Sie sogar recht. Es gibt allerdings erhebliche Verdachtsmomente, die Moreno belasten. Der Prozess wird zeigen, ob sie für eine Verurteilung ausreichen.«
Jemand hatte eine Schallplatte aufgelegt. Reedereibesitzer Bryan bat Judith um einen Tanz. Sie entschuldigte sich bei uns. Wir nahmen in einer stillen Ecke Platz. Auch die anderen Damen hatten Tänzer gefunden. Die Schauspielerin Anita Loran wirbelte mit dem Plantagenbesitzer Cook durch den Salon.
An einer improvisierten Bar saßen Greenwood und Philip Sterling. Der Architekt war schon ziemlich angeheitert. Mit großer Pose versuchte er, Sterling klar zu machen, dass der schiefe Turm von Pisa unter seiner Bauleitung niemals schief geworden wäre. Cooks Gattin unterhielt sich lebhaft mit Phil, und Majorie Wells tanzte mit dem Konservenkönig Stack.
Ich war mir selbst überlassen und ergötzte mich daher an ein paar appetitlichen Sandwiches vom kalten Büffet. Als die Platte abgelaufen war, erschien Richard Gordon. Er wurde mit lautem Hallo begrüßt. Dann kam er zu mir.
»Na, old boy, wie gefällt dir Majorie?«
»Du hast Geschmack.«
»Das will ich meinen. Was macht deine Arbeit? Gratuliere übrigens zu deinem Fang.«
Ich wurde ernst. »Er wurde auch teuer genug erkauft, Richard. Clyde schwebt noch immer in Lebensgefahr.«
»Glaubst du wirklich, dass der Ring die maßgebliche Rolle spielt?«
»Bei der Ausführung der Verbrechen bestimmt. Ich werde allerdings das Gefühl nicht los, dass wir bei der Annahme der Motive in die Irre gehen.«
Ich erzählte ihm von meinen Vermutungen. Er hörte mir zu und nickte nachdenklich.
»Eigenartig, Jerry! Der gleiche Gedanke beschäftigt mich seit einiger Zeit. Warum musste Kai sterben? Er hatte doch keine Reichtümer, denn der größte Teil seiner Einnahmen wurde von der Stiftung verschlungen. Außerdem ist Judith wirklich ein viel begehrtes Girl.«
Sein Blick schweifte durch den Salon. »Aber sieh dir diese Menschen doch an! Ist es nicht absurd, einen von ihnen solcher Taten für fähig zu halten?«
»Das ist es ja eben«, gab ich zu. »Dennoch komme ich nicht davon los. Ist dir niemand aufgefallen, der sich besonders um Judith bemüht hat?«
Er schüttelte den Kopf. »Mehr oder weniger sind alle in sie verschossen, Jerry. Höchstens Cook macht eine Ausnahme. Auch ich hatte mich einmal in Judith verliebt. Wir kennen uns schließlich von klein auf. Aber dann lernte ich Majorie kennen und betrachtete Judith nur noch mit den Augen eines alten Freundes. Ich kann wohl von mir behaupten, dass ich nach Tony derjenige bin, der ihr größtes Vertrauen besitzt. Sie hätte mir bestimmt erzählt, wenn sie einen Antrag bekommen hätte.«
Ich nickte. »So kurz nach Tonys Tod ist es wohl auch noch zu früh für einen offiziellen Antrag.«
Wir brachen unser Gespräch ab, da in diesem Augenblick Judith zu uns trat. Sie wandte sich an Gordon.
»Wie teuer ist ein guter Anwalt von seinen Qualitäten, Richard?«
Richard lachte. »Das kommt immer auf den Fall an, Judith. Dir gegenüber würde ich mich auf jeden Fall sehr entgegenkommend zeigen.«
Sie nickte. »Das ist nett von dir, Richard. Ich möchte dich nämlich bitten, die Verteidigung Nick Morenos zu übernehmen.«
Bei diesen Worten sah sie mich herausfordernd an. Gordon musterte sie fassungslos.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst?«
»Doch! Geld spielt keine Rolle!«
Richard nahm ein Glas und leerte es mit einem Zug.
»Unmöglich kannst du mir zumuten, diesen Mann zu verteidigen. Schließlich steht er in dem dringenden Verdacht, Tony umgebracht zu haben oder doch zumindest, den Auftrag dazu erteilt zu haben.«
Judith nickte. »Ich weiß, Richard. Aber ein Verdacht ist noch lange kein Beweis. Nick war bei mir und hat mit mir gesprochen. Ich glaube ihm, dass er nichts damit zu tun hat.«
Gordon sah mich fassungslos an. »Was hältst du davon, Jerry? Ist das überhaupt noch zu begreifen?«
Ich begögnete Judiths Blick. Beinahe ängstlich sah sie mich an. Ich zuckte die Achseln.
»Es wäre immerhin ein großer Fall für dich.«
»Auf einen solchen Fall kann ich verzichten« schnaufte er
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