0302 - Der Unhold
traf er nicht, der Gang war also nicht zugeschüttet Suko hielt sich stets zwei Schritte vor mir. Er ging auch ziemlich zügig, und ich war überrascht, als er so plötzlich stehen blieb. Rasch trat ich einen Schritt zur Seite und vernahm Sukos flüsternde Stimme.
»Da, schau nach links!«
Er bewegte seine Hand ein wenig, und mit ihr wanderte der Lichtstrahl.
Etwas Bleiches schimmerte an seinem Ziel.
»Warte hier«, sagte ich und ging näher.
Bereits nach wenigen Schritten erkannte ich, was der Lampenstrahl da aus der Finsternis gerissen hatte.
Es waren Knochen.
Gebeine!
Sie gehörten zu einem Menschen. Bleich und glatt schimmerten die Knochen. Der rechte Arm hing noch am Körper, der linke lag daneben. Zur Schulter hin bildete der bleiche Schädel einen rechten Winkel, und ich konnte in die tiefen Augenhöhlen schauen.
An der Veränderung des Lichts erkannte ich, daß Suko näher kam. Neben mir blieb er stehen. »Der scheint schon einige Jahre hier zu liegen«, sagte er.
»Sicher. Fragt sich nur, ob er auch zu einem Opfer der Bestie geworden ist?«
»Gibt es noch eine andere Möglichkeit?«
»Eigentlich nicht.« Ich bückte mich, weil mir ein Schimmern aufgefallen war. Zwischen den Gebeinen sah ich etwas liegen. Es war ein kleines herzförmiges Medaillon. Es bestand aus zwei Hälften, die man auseinander klappen konnte.
Als ich das getan hatte, fiel mir ein Bild auf, das sich im Deckel des Medaillons befand.
Es war das Gesicht einer Frau. Für einen Moment glaubte ich, es zu kennen. Die Form der Stirn, die Augen, die Brauen, sie kamen mir irgendwie bekannt vor, und ich dachte an Claudia Corelli.
Als ich den Namen aussprach, schüttelte Suko den Kopf und gab gleichzeitig eine Erwiderung. »Nein, John, das ist nicht Claudia Corelli.«
»Wer dann?«
»Vielleicht ihre Mutter.«
Ich schluckte, schaute auf das Medaillon und auf das Skelett zu meinen Füßen.
»Es müßte die Mutter sein«, flüsterte Suko.
Ja, da konnte er recht haben. Es war schlimm, makaber, aber wahrscheinlich eine Tatsache. Mir fiel auch ein, daß Claudia nur von ihrem Vater geredet, die Mutter jedoch verschwiegen hatte.
Die Frau hatte tatsächlich viel Ähnlichkeit mit Claudia. Als Suko die Lampe noch näher heranrückte, war es besser zu erkennen.
Claudias Augen schienen mich anzuschauen.
Ich steckte das kleine Amulett ein. »Wir werden sie später danach fragen.«
Suko schüttelte den Kopf. »Über dieser Familie scheint ein Fluch zu liegen, und ich traue auch der Alten nicht.«
»Du meinst Rosa Beluzzi?«
»Genau.«
Da konnte ich Suko nur zustimmen. Auch mir war diese komische Wahrsagerin nicht geheuer gewesen. Ihre Augen hatten mir nicht gefallen. Die Frau hatte sie nicht unter Kontrolle, und in ihnen spiegelte sich das wider, was sie empfand.
Es waren keine guten Gefühle gewesen.
Ich war sehr nachdenklich, als wir weitergingen, so daß Suko nach einer Weile fragte: »Was hast du, John?«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht war es ein Fehler, Claudia Corelli zurücklaufen zu lassen.«
»Die weiß sich ihrer Haut zu wehren.«
»Nur kannst du Dämonen nicht mit normalen Gangstern vergleichen.«
»Vergiß Mandra Korab nicht. Der wird schon aufpassen, daß nichts schief läuft.«
»Bisher haben wir von seinem Dolch nichts gesehen. Allmählich habe ich das Gefühl, in eine Falle getappt zu sein. Wahrscheinlich finden wir die Waffe hier überhaupt nicht mehr.«
»Dafür den Unhold. Auch kein schlechter Tausch.«
Die Unruhe wollte nicht weichen. Öfter als gewöhnlich blickte ich auf das Leuchtzifferblatt meiner Uhr. Dabei rechnete ich nach und stellte fest, daß wir schon ziemlich lange unterwegs sein mußten. Zudem brauchten wir nicht durch Häuser zu laufen oder Treppen hinter uns zu lassen, so daß wir uns eigentlich schon dem Ziel nähern mußten.
Wo lag es?
Plötzlich wurde der Gang enger. Die Wände schienen zusammenwachsen zu wollen, und wir hörten auch vor und gleichzeitig über uns ein seltsames Geräusch.
Sofort blieben wir stehen.
Das Geräusch wiederholte sich nicht, aber Suko hatte es ebenso vernommen wie ich, das sah ich seinem Gesicht an, denn er hatte den Blick fragend auf mich gerichtet.
»Hat sich wie ein dumpfer Schlag angehört!« flüsterte er.
Ich nickte. »Und er ist von oben gekommen.«
Suko runzelte die Stirn. Mit der Zungenspitze fuhr er über seine Lippen, ich nahm derweil meine Lampe und leuchtete in eine andere Richtung als mein Partner.
Da entdeckte ich die Nische!
Sie war in
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