0305 - Im Rattentempel
Stirn.
Mandra Korab sprach nicht. Er bückte sich und schaute nach dem am Boden liegenden Mann.
Ich ging zu den beiden, sah den Dolch an und schüttelte den Kopf.
Nein, die Waffe hatte ich nicht benötigt. Ich wollte sie Mandra wiedergeben, er lehnte ab. »Warte noch, John, vielleicht brauchst du sie. Es ist ja nicht alles vorbei.«
Da hatte er recht.
Ich leuchtete mit meiner kleinen Lampe den Unbekannten an, während Suko die Umgebung mit Argusaugen beobachtete, damit wir nicht noch hinterrücks böse überrascht wurden.
»Lebt er?« fragte ich.
Mandra nickte und hob gleichzeitig die Schultern. »Eigentlich ist er so gut wie tot. Es ist mir ein Rätsel, daß er trotzdem überlebt hat. Schau dir nur die Wunden an.«
Das tat ich auch. Sie waren am gesamten Körper verteilt und hatten auch das Gesicht nicht ausgelassen. Schwach war der Atem des Mannes, kaum feststellbar.
Der Mann war ein Einheimischer. Ich erkundigte mich bei Mandra Korab, ob er ihn kannte.
»Leider nicht, John, aber sieh dir die Kleidung an. Es ist zwar nicht mehr viel zu erkennen, doch so laufen keine Städter herum. Der Mann muß etwas mit dem Dschungel zu tun gehabt haben, darauf deuten auch die Stiefel hin.«
»Vielleicht ist er ein Jäger.«
»Da kannst du recht haben. Jäger oder Wildhüter. Davon gibt es zahlreiche in dieser Gegend.«
»Auf jeden Fall stand der nicht auf Seiten unserer Gegner«, faßte ich zusammen.
Mandra erhob sich wieder. Er nickte zu meinen Worten und strich dabei über sein Haar. »Da wäre noch etwas«, sagte er. »Wir können ihn nicht mitnehmen und müssen ihn erst einmal liegenlassen. Hast du etwas von der Rattenkönigin gesehen?«
»Möglicherweise.« Da Mandra gespannt auf eine Antwort wartete, wollte ich ihn nicht enttäuschen und berichtete von den beiden Gestalten, die ich zu sehen geglaubt hatte.
»Ja, das kann die Rattenkönigin gewesen sein. Fragt sich nur, wer die andere Person ist.«
»Ich tippe auf Baron von Tirano.«
»Den Blutsauger?«
»Wen sonst? Er wollte doch zu Karni-Mata. Er liebt die Ratten über alles, hat sich mit ihnen verbündet und ist ihnen ewig dankbar, weil sie ihn befreit haben.«
Mandra schüttelte den Kopf. »Ein Vampir und eine Rattenkönigin, ich kann es einfach nicht glauben.«
»Du wirst es aber glauben müssen, du Narr!« Die Stimme hallte uns aus dem Hintergrund des Tempels entgegen, und nicht nur ich hatte sie erkannt, sondern auch Suko.
Er sprach den Namen aus. »Baron von Tirano, der Vampir…«
***
Sie waren beide sehr siegessicher gewesen, dann aber hatte sie die fremde, die so andere Magie wie ein harter Schlag getroffen. Besonders schwer war es für Karni-Mata gewesen, denn die Magie richtete sich vor allen Dingen gegen sie.
Die Rattenkönigin war auf alles gefaßt gewesen, nur darauf nicht, daß es jemand wagte, die Heilige Silbe auszusprechen. Hinzu kam, daß es noch ein Fremder gewesen war, ein Unreiner, und die Kraft der Silbe hatte sich nicht gegen ihn gestellt.
Das konnte es nicht geben, das durfte nicht wahr sein. Damit waren uralte Gesetze aufgehoben worden, denn in der Überlieferung hieß es, daß die Silbe gegen die finsteren Mächte gerichtet war und nur dem Reinen gehorchte.
Karni-Mata bekam die Macht zu spüren. Sie sah plötzlich das Licht, und sie durchdrang es mit ihren kleinen Rattenaugen. Deutlich waren die anwesenden Personen zu erkennen.
Drei an der Zahl.
Den Wildhüter zählte sie nicht mehr mit, denn über ihn waren ihre Ratten hergefallen.
Aber die drei anderen.
Karni-Mata kannte keinen von ihnen. Einer allerdings war ein Einheimischer. An seinem Turban deutlich zu erkennen. Instinktiv wurde der Rattenkönigin bewußt, daß mit diesem Mann nicht zu spaßen war. Er machte ihr ganz den Eindruck eines harten Kämpfers. Seine und die Gestalten der anderen beiden hoben sich glasklar vom Hintergrund ab.
Die Ratten zerfielen.
Karni-Mata konnte es mit den eigenen Augen sehen, und auch sie merkte, daß Kräfte sie angriffen, denen sie nichts entgegensetzen konnte. Hatte man sie vorhin der Haltung und ihrem Gehabe wegen noch als Königin bezeichnen können, so bröckelte von diesem Eindruck so ziemlich alles ab.
Sie fühlte sich plötzlich schwach und hilflos. Die Glieder und besonders ihr Schädel wurden schwer, so daß sie Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
Der Baron bemerkte davon nichts. Er war auf negative Weise von den Ereignissen fasziniert, und erst als die Rattenkönigin unmotiviert gegen ihn stieß und er den
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