0305 - Im Rattentempel
Kopf zur Seite wandte, sah er, daß etwas mit ihr geschah.
Sie wurde schwach und schwächer.
Tirano fing sie auf. In dem bleichen Gesicht des Vampirs zuckte es. Er spürte nichts von der anderen Kraft, die sich in der Höhle ausgebreitet hatte. Gegen so eine Magie war er gefeit.
»Was ist?«
Der Blutsauger bekam keine Antwort auf seine zittrig gestellte Frage.
Die Rattenkönigin kippte ihm entgegen, und er sah mit Schrecken, wie sich ihre Haut allmählich veränderte und von Sekunde zu Sekunde grauer wurde.
Nahte das Ende?
Der Vampir wollte es nicht hoffen, aber er wußte nicht, wie er dieser Magie begegnen sollte.
Karni-Mata riß noch einmal ihre Kräfte zusammen. Spaltbreit öffnete sich das Maul. Gehauchte Worte drangen daraus hervor, und von Tirano hatte Mühe, sie zu verstehen.
»Schaff mich hier weg, schaff mich weg…«
»Wohin?«
»In den Sarg, in das Grab, es schützt…«
Selten in seinem untoten Dasein hatte sich der Vampir-Baron so beeilt wie in diesen Augenblicken. Mit beiden Händen faßte er die Rattenkönigin unter und zog sie tiefer in die Tempelhalle hinein.
Dabei überschritt er auch die Schwelle zum zweiten Raum und gelangte dorthin, wo auch das Grab der Rattenkönigin stand.
Ein offenes, seltsames Grab! Aufgetrennt durch einen Dolch, und in dieses Grab wollte Karni-Mata wieder hinein. Von Tirano fragte nicht mehr nach dem Grund, er tat das, was man ihm geheißen hatte, und er beeilte sich dabei, denn die Rattenkönigin verlor immer mehr an Kraft.
Konnte sie überhaupt noch existieren, oder waren alle Mühen und Plagen umsonst gewesen?
Der Vampir hoffte es nicht. Er wollte die Macht, und Karni-Mata hatte gegen eine Verbindung mit ihm nichts einzuwenden gehabt.
Der Blutsauger zerrte die Rattenkönigin in das Grab hinein. Sie konnte dabei wie auf einem hochstehenden Hocker sitzen, und als sie den Platz eingenommen hatte, fiel sie nach rechts.
Wie eine Puppe…
Hastig schloß der Vampir die beiden aufgeschnittenen Hälften der Grabkammer wieder. Weiterhin waren die zwei Hallen von der Weißen Magie erfüllt. Das Grab jedoch mußte wie eine Insel in dieser für Karni-Mata tödlich wirkenden Magiehalle sein. Von Tirano konnte nur hoffen, daß sie trotz allem überlebte.
Er ging hinter dem Grab in Deckung. Verzerrt war sein Gesicht, den Mund hatte er geöffnet, die beiden Blutzähne stachen weit aus dem Oberkiefer hervor.
Die Untätigkeit gefiel ihm ebenfalls nicht. Er hockte da, wartete und lauerte. Er wußte die Gegner in der Nähe und konnte dennoch nichts unternehmen.
Aus seiner Sicht tragisch war auch das Schicksal der zahlreichen Ratten. Keiner der vierbeinigen, gefährlichen Helfer hatte überlebt, sie waren der Magie zum Opfer gefallen, und er hoffte, daß das gleiche nicht auch mit Karni-Mata geschah.
Dem Vampir blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Bisher hatte er Erfolge verzeichnen können. Eine Glückssträhne lag hinter ihm, die sich nun ins Gegenteil umzukehren schien.
Allmählich verlöschte das seltsame magische Licht. Die Dunkelheit gewann die Oberhand, und das Grinsen im Gesicht des Blutsaugers vertiefte sich. Noch war nicht alles verloren. Die fremde Magie flachte ab. Sie hatte ihm nichts getan, und er war sicher, daß seine große Stunde noch kommen würde.
Er wußte nicht, ob er die Rattenkönigin jetzt schon befreien sollte.
Deshalb wartete er ab, bis es wieder völlig dunkel geworden war und nur noch die Flammen in den Schalen brannten.
Ihr Licht reichte dem Vampir. Er konnte sich in der zweiten Höhle umschauen und würde auch merken, wenn sich jemand näherte.
Schwungvoll warf er seinen Umhang zurück, schlich vor und preßte ein Ohr gegen die Rückseite des seltsamen Grabs.
Kein Geräusch war zu hören. Die Rattenkönigin verhielt sich still.
Vielleicht konnte sie sich nicht mehr regen, rechnen mußte er mit allem.
Der Vampir-Baron hob die Hand, krümmte seine Finger und kratzte gegen die äußere Haut des Grabmals. Mit dem bleichen knochigen Mittelfinger tippte er so hart dagegen, daß dieses Geräusch auf der anderen Seite einfach vernommen werden mußte.
Die Antwort folgte.
Ebenfalls als Klopfzeichen.
Der Blutsauger war beruhigt. Dieses Zeichen vorhin hatte ihm bewiesen, daß es Karni-Mata noch gab, und er hatte jetzt nichts Eiligeres zu tun, als die beiden Hälften wieder auseinanderzuklappen.
Abermals hockte sie statuenhaft auf dem Sitz. Nichts regte sich im Gesicht der Ratte. Der Blick des Barons huschte am Körper der Mutation
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