0306 - Sein Mörder kam im Morgengrauen
tatsächlich schrieb.
Nach einem Blick auf die Wanduhr und den Kalender notierte er zuerst das Datum und die Uhrzeit und ließ sich dann die Einzelheiten der Meldung wiederholen.
Nachdem der Sergeant die Notiz niedergeschrieben hatte, las er den Text laut vor, und er freute sich, daß der Anrufer nur an einer einzigen Stelle eine Änderung verlangte. Danach legte Sergeant Brown tiefbefriedigt auf, bis ihm stimrunzelnd einfiel, daß der schwerste Teil der Arbeit noch bevorstand.
Jetzt mußte die Meldung in das Rapportbuch übertragen werden, und das dazu noch in einer Schrift, die möglichst lesbar sein sollte. Zuerst war der Sergeant versucht, dieses Geschäft zu verschieben, bis er die seiner Meinung nach wohlverdienten Sandwiches verspeist hatte, doch dann überlegte er es sich anders und erledigte die Sache gleich.
Er ließ gerade ein ganzes hartgekochtes Ei, auf das er aus einer Tube einen dicken Klecks Tomaten-Ketchup gedrückt hatte, hinter seinem Gebiß verschwinden, als die Tür aufgestoßen wurde und der Leutnant das Dienstzimmer betrat.
»’n Abend, Brown«, grüßte er lässig. »Was gibt es Neues bei uns?«
Beim Eintritt seines Vorgesetzten war der Sergenat von seinem Stuhl hochgesprungen und stand jetzt mit vollem Mund vor seinem Schreibtisch.
Dreimal mahlten seine Kiefer mit der Schnelligkeit eines Mixgerätes, dann war die Mahlzeit mit einem Schluck durch die Gurgel.
»Guten Abend, Sir«, grüßte der Sergeant und bewies damit, daß er seine Schläfrigkeit unter gewissen Voraussetzungen vergessen konnte. »Auf Revier 25 nichts Neues«, meldete der stramm.
»Nichts Neues gibt es nicht, Brown«, korrigierte der Leutnant. »Geben Sie mal das Rapportbuch her!«
Sergeant Brown gehorchte und reichte den dicken Wälzer nicht ohne Stolz auf seine — wie er meinte — gute Schrift über die Theke dem Leutnant hin. Der warf einen kurzen Blick hinein und sagte dann:
»Hier wird doch der Diebstahl eines Autos gemeldet, Brown.«
»Das ist doch nicht wichtig«, meinte Brown. »Ich werde die Anzeige ans Headqüarter weitergeben, und dann ist für uns der Fall erledigt.«
»Einen Teufel werden Sie tun, Brown«, schnarrte der Leutnant und knallte das Rapportbüch auf die Theke. »Um welches Fabrikat handelt es sich bei dem gestohlenen Wagen?«
»Um einen Ferrari«, brummte Brown störrisch. »So ’ne rote Sportkiste für einen von den Brüdern, die draußen in Queens ihre Villen stehen haben.«
Der Offizier überging die Bemerkung des Sergeanten. »Haben Sie nicht vor ungefähr zwei Stunden eine Durchsage des FBI gehört, daß nach einem roten Ferrari zu fahnden ist, in dem ein Mörder entflohen ist?«
»Die haben den Wagen doch inzwischen gefunden«, brummte der Sergeant. »Es muß ja auch nicht der Wagen sein, den die suchen«.
»Verlassen Sie sich drauf, Brown, daß er es ist«, behauptete der Leutnant. »Sie werden die Meldung also nicht auf dem Dienstweg an unsere Zentrale gelangen lassen, sondern unverzüglich das FBI verständigen. Verstanden?«
Der Sergeant nahm Haltung an und meldete: »Ich werde das FBI sofort verständigen, Sir.«
Der Angeredete nickte und sagte dann mit Nachdruck:
»Brown, ich an Ihrer Stelle würde mal etwas gegen Ihre Begriffsstutzigkeit tun, sonst könnte es eines Tages sein, daß Sie ohne die Streifen am Ärmel herumlaufen müßten.«
Als der Leutnant nach diesen Worten den Raum verließ, bestand die erste Handlung des Sergeanten darin, die Sandwiches wieder in das Papier einzupacken. Er wußte, daß sie ihm jetzt nicht schmecken würden.
***
»Morgen, Jerry!« sagte Phil erstaunt. »Mit dir hatte ich so früh noch nicht gerechnet. Ist deine Mission in Atlanta schon zu Ende?«
»Hallo, Phil«, rief ich und zeigte auf den Wulst von Papier, der sich vor mir auf meinem Schreibtisch auftürmte.
»Atlanta war ein Reinfall. Ich habe zwar einen Mord entdeckt, aber in der Geschichte bin ich nicht weitergekommen. Ich habe mich in die nächste Maschine gesetzt und bin zurückgeflogen. Den Mörder aus Atlanta hast du ja geschnappt, lese ich hier gerade.«
Phil ließ sich schwer in einen Sessel vor meinem Schreibtisch fallen. Er stand meinem genau gegenüber.
»Geschnappt haben wir ihn«, bestätigte er. Seine Stimme klang wie die des Seniorchefs eines Bestattungsunternehmens. »Aber das ist auch alles. Wahrscheinlich hast du auch schon gelesen, daß der Mann von einem ordentlichen Gericht nicht mehr verurteilt werden muß.«
Ich nickte und schob den Papierberg ein
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