0306 - Sein Mörder kam im Morgengrauen

ähnlicher Unfall soll vor ganz kurzer Zeit auch in einer großen Garage passiert sein«, erzählte Phil im Plauderton.
    »Schon möglich«, räumte Spinoza ein. Wesentlich schärfer fuhr er dann fort: »Langsam möchte ich jetzt aber wissen, was Sie von mir wollen. Ich habe schon einmal gesagt, daß mir meine Zeit kostbar ist.«
    »Schon mehrmals«, bestätigte ich. »Schon mehrmals. Ich würde dann gern die betreffende Kartei sehen, Spinoza. Sie wissen doch, die, in denen die Kunden notiert sind, von denen Sie Wagen gekauft haben.«
    »Sie haben sicherlich einen Durchsuchungsbefehl bei sich, Cotton«, legte Spinoza eine neue Platte, auf. »Ich bin ein so guter Staatsbürger, daß ich darauf sehe, daß alles seine Ordnung hat. Es ist natürlich nur eine Formsache, aber… Na ja, Sie verstehen wohl.«
    Ich warf Phil eine bezeichnenden Blick zu.
    »Den Durchsuchungsbefehl habe ich Ihnen doch gestern vorgelegt«, wandte ich ein.
    »Ja, gestern«, tat Spinoza großspurig. »Aber heute wollen Sie von mir Unterlagen, die ich ohne Durchsuchungsbefehl nicht aushändigen werde. Sie werden ihn sicherlich bei sich tragen? Sie haben ja auch gestern abend einen gehabt, als Sie meine Garage durchsuchten.«
    Ich sagte ganz ruhig: »Na gut, Spinoza, dann bis demnächst.«
    Spinoza grinste.
    ***
    Phil und ich saßen in meinem Wagen.
    »Schätze, Spinoza wird jetzt nervös werden«, murmelte Phil und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich garantiere dir, daß er sehr nervös ist«, sagte ich.
    »Wahrscheinlich wird sich in Kürze einiges tun. Wie ich den Gangster einschätze, wird er jeden Fetzen Belastungsmaterial wegschaffen. In dem Augenblick können wir zupacken. Wir fahren also nicht ins Office, sondern postieren uns dahinten an dem Droschkenstand. Und dann warten wir einfach ab, wie der Film weitergeht.«
    Ich kurvte zu der betreffenden Stelle hinüber. Ich hatte genau den richtigen Platz erwischt, denn unser Standort war nicht einzusehen, und wir konnten den Ausgang drüben bequem beobachten.
    Ich zündete mir eine Zigarette an.
    Phil hatte abgewinkt. Er starrte stur auf die andere Straßenseite. Ich rauchte in tiefen gleichmäßigen Zügen.
    Dann kurbelte ich das Fenster herunter und schnippte den Rest meiner Zigarette nach draußen. Die Glut zerplatzte in einem kleinen Feuerwerk, als sie auf das Pflaster traf.
    »Du, Jerry, ist das nicht unser Freund Jim Norman?« fragte Phil plötzlich.
    »Sicher«, bestätigte ich. »Er hat doch sein Ohr schön eingepackt, das du ihm diese Nacht lädiert hast. Oder auf das er, laut Spinoza, so unglücklich gefallen ist.«
    »Der benimmt sich aber ziemlich auffällig«, stellte Phil fest. »Sieht er sich nach jemandem um, der ihn beschatten könnte?«
    »Danach sieht es aus, Phil«, bekräftigte ich. »Zuerst geht er ein Stück in die eine Richtung, dann bleibt er stehen, und jetzt geht er genau entgegengesetzt. Der hat es aber auf einmal eilig!«
    »Ich gäbe zehn Dollar, wenn ich wüßte, was in dem Koffer ist, den er mit sich herumschleppt«, knirschte Phil.
    »Und ich gebe dir den guten Rat, den Kerl nicht aus den Augen zu verlieren, wenn du ihm jetzt folgst«, sagte ich.
    »Okay, Jerry! Fahr schon los!« forderte mich mein Freund auf.
    »Du wirst ja auch mal ein paar Schritte laufen können«, mutete ich ihm zu. »Los, mach schon! Der geht dir sonst durch die Lappen!«
    »Und du?« fragte Phil und schwang sich aus dem Jaguar.
    »Ich bleibe hier und warte. Ich rechne damit, daß Spinoza oder Pat Wolseley auch bald aufkreuzen werden. Ich werde die dann aufs Korn nehmen«, erklärte ich ihm.
    »Laß Jim Norman auf keinen Fall entwischen, Phil. Wir müssen wissen, was er vor hat und was in dem Koffer ist!«
    Phil war schon weg.
    Geschickt schlängelte er sich an den Yellow Cabs vorbei und nutzte sie als Deckung aus. Plötzlich war er aus meinem Gesichtsfeld verschwunden. Jim Norman ebenfalls. Ich wollte mich nicht umdrehen, um die Ausfahrt drüben nicht einen einzigen Augenblick aus den Augen zu lassen.
    Ich zündete mir noch eine Zigarette an.
    Drüben an der Ausfahrt stand jetzt ein Mann, der mit einem Monteur sprach. Der Monteur hatte dichtes schwarzes Haar. Ich registrierte es rein automatisch. An der Art, wie der Mann sich mit Händen und Füßen unterhielt, schloß ich, daß es ein Italiener war oder ein anderer Romane.
    Plötzlich rannten die beiden zur Seite. Ein Wagen kam aus der Ausfahrt herausgeschossen. Er hatte eine Kennnummer aus Kansas City. Es war ein blauer Chevrolet.