0308 - Einbahnstraße in den Tod
»In der zur Faust geballten Hand der Toten fand der Doktor drei lange, schwarze Haare. Er hat diese Haare untersucht und behauptet, dass sie künstlich seien und vermutlich aus einer Perücke stammten.«
»Aus einer Perücke?«, riefen Phil und ich wie aus einem Mund.
Das war die Lösung des Rätsels.
Ellen Hauser war rotbraun und hatte das bewusste Muttermal.
Die schwarzhaarige trug eine Perücke und hatte dasselbe Kennzeichen wie die Hauser.
»Um halb vier Uhr morgens - es schneite schon wieder - war ich zu Hause.«
Für kurze Zeit stand ich am Fenster und sah hinaus in den Flockenwirbel und auf die von den Lichtern Manhattans rosig angestrahlten, tief hängenden Wolken.
Ich überlegte.
Dann ging ich schlafen.
***
Ich fuhr hoch und wäre um ein Haar aus dem Bett gefallen.
Das Telefon rasselte unaufhörlich.
Es war zwanzig Minuten vor neun.
Ich hatte also knapp fünf Stunden geschlafen und fühlte mich entsprechend.
»Hello, Cotton speaking«, sagte ich und räusperte mich.
»Lieutenant Kent vom Hauptquartier hat eben angerufen«, berichtete mein Kollege Walker. »In der 58. Straße, genau vor dem Roosevelt Hospital wurden zwei Boten der Clinton Trust Cy. überfallen und beraubt. Sie trugen in zwei Aktentaschen 47 000 Dollar bei sich. Der eine ist tot, der zweite schwer verletzt. Lieutenant Kent hat die Idee, Vickers könnte dahinterstecken.«
»Wie kommt er darauf?«
»Das hat er nicht gesagt. Jedenfalls sollen Sie sich die Sache einmal ansehen. Es ist ja höchstens fünf Minuten von Ihnen entfernt.«
»Es ist gut«, knurrte ich und legte auf.
Um fünf vor neun war ich an Ort und Stelle.
Ich fand eine kleine Blutlache auf dem Bürgersteig.
Es gab ein paar Zeugen, zwei Schwestern und ein Arzt des Hospitals, die den Raubüberfall aus nächster Nähe miterlebt hatten.
Ihrer Angabe nach waren die beiden Boten aus Richtung Broadway die 58; Straße heraufgekommen.
Sie gingen dicht nebeneinander, und jeder trug eine Aktentasche unterm linken Arm. Die rechte Hand hatten sie, wie das Vorschrift ist, in der Jackentasche am Kolben ihrer Pistolen.
Genau auf der Höhe des Portals des Roosevelt-Krankenhauses stoppte ein schweres Motorrad dicht neben ihnen am Kantstein.
Zwei Männer saßen darauf.
Es knallte ein paar Mal, die beiden Bankboten stürzten aufs Pflaster, und die Räuber rissen die Aktentaschen an sich. Sie sprangen aufs Motorrad und rasten in einem Höllentempo in Richtung Hudson davon.
Ein Taxifahrer, der den Vorfall beobachtet hatte, verfolgte sie, verlor sie aber auf der Eleventh Avenue aus den Augen, als er bei Rotlicht stoppen musste.
»Wie sahen die beiden Räuber aus?«, war natürlich meine erste Frage.
»Sie trugen braune Lederjacken und braune Breeches«, berichtete der Krankenhausarzt. »Die Gesichter konnte man nicht erkennen. Die beiden trugen Sturzhelme und große Staubbrillen. Ich weiß nur, dass der eine breitschultrig und kräftig, der andere aber auffallend schlank und sehr beweglich war.«
»Und dieser trug im Gegensatz zu dem Breiten dunkelrote, hohe Stiefel«, ergänzte die Schwester. Dann stockte sie einen Augenblick runzelte die Stirn und fuhr fort: »Ich müsste mich gewaltig irren, wenn diese Stiefel nicht besonders hohe Absätze hatten.«
»Also Damenstiefel?«, fragte ich schnell.
»Ja, jetzt fällt mir ein, dass auch die Bewegungen an eine Frau erinnerten, die Art, wie er lief und sich bückte.«
»Haben Sie auf die Hände geachtet?«, fragte ich.
»Sie trugen beide schwere Stulpenhandschuhe«, war die Antwort.
»Was denken Sie, Doktor, war dieser zweite mit den roten Stiefeln eine Frau?«
»Jetzt, da Sie mich so direkt fragen, glaube ich es auch fast. Aber ich kann es nicht beschwören.«
»Sie werden Ihre Aussage im Polizeihauptquartier zu Protokoll geben müssen«, erklärte Lieutenant Kent, dann nahm er mich beiseite.
»Glauben Sie an die Geschichte von der Frau mit den roten Lederstiefeln?«
»Ich weiß es nicht, aber wenn es so ist, dann war Ihre Eingebung die 'richtige. Wir wissen ja von früher her, dass Vickers Freundin, Jo Brons, bei seinen Raubzügen stets eine recht aktive Rolle spielte. Eigentlich habe ich etwas Derartiges erwartet. Ich bin der Ansicht, dass Vickers seine Beute von damals inzwischen bis auf die besonders ›heißen‹ Hundert-Dollar-Noten verjubelt hat. Als er nun sah, dass die Noten mit der grünen Kante auffielen und erkannt wurden, musste er sehen, dass er wieder zu Geld kam. Er verübte einen neuen Raubüberfall. Nur
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