031 - Der Puppenmacher
ganze Zimmer verstreut.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Hayward tonlos.
»Es sieht so aus, als hätte ein Kampf stattgefunden«, sagte Dorian. »Haben Sie keine verdächtigen Geräusche gehört? Ihr Zimmer grenzt doch an das von Phillip.«
Hayward gab ihm keine Antwort.
»Phillip«, sagte er nur. »Wo ist Phillip?«
Er rannte ziellos durch das Zimmer, schaute unter das Bett und aus dem Fenster und wandte sich dann wieder Dorian zu. »Wo ist mein Sohn?«
»Ich habe doch erst heute morgen mit Coco telefoniert«, meinte Dorian.
Hayward nickte.
»Ich weiß, da war noch alles in Ordnung.«
»Und haben Sie tatsächlich keine verdächtigen Geräusche gehört?« fragte Dorian noch einmal.
»Wo ist das Telefon?« Dorian blickte sich suchend um.
»Es stand immer dort auf dem Nachttisch.«
Dorian folgte Haywards ausgestreckter Hand und entdeckte das Telefonkabel; es führte vom Nachttisch aus zu einem niedrigen Wäscheschrank und verschwand darin.
Mit drei schnellen Schritten war er dort und öffnete eine der beiden Türen. Phillip hockte zusammengekrümmt zwischen den Wäschestücken und hielt den Telefonapparat umklammert. Er blickte nicht auf, sondern preßte den Kopf gegen die Brust.
»Was machst du hier, Phillip?« fragte Dorian erschüttert.
»Ja«, sagte Phillip mit verstellter Stimme. »Ja, das stimmt.
Nein, das ist nicht nötig. Es ist alles in Ordnung.«
Dorian schwindelte, als er erkannte, daß Phillip mit Cocos Stimme sprach, und er erinnerte sich sofort, daß Coco die gleichen Worte am Telefon gebraucht hatte.
Nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte nicht mit Coco telefoniert, sondern mit Phillip. Aber wo war Coco?
Eine eisige Hand griff nach Dorians Herz. Er kniete vor dem Jungen nieder und fragte mit bebender Stimme: »Phillip, wo ist Coco? Erinnerst du dich, was passierte, als du mit dem freundlichen Mädchen allein warst?«
»Alina«, murmelte Phillip und krümmte sich noch mehr zusammen. »Alina, komm zu mir zurück!« »Wir können Phillip nicht da drinnen lassen«, sagte Hayward hinter Dorian. »Helfen Sie mir, ihn ins Bett zurückzutragen!«
Dorian nahm das Telefon aus Phillips verkrampften Händen,
schob seine Linke unter Phillips Kniekehlen und legte seinen rechten Arm um seinen Rücken. Phillip war leicht wie eine Feder; er konnte nicht mehr als hundert Pfund wiegen.
Dorian trug ihn ins Bett. Hayward hatte inzwischen die Decke geholt und breitete sie nun über seinen Sohn. Aber Phillip strampelte die Decke ab, legte sich auf die Seite und nahm wieder die Embryostellung ein. Seine Lippen bewegten sich, aber kein Laut kam darüber.
»Phillip, kannst du mich hören?« drang Dorian in ihn.
Phillip erschauerte und hielt seine gekrümmten Finger vor den Mund.
Dorian fuhr mit eindringlicher Stimme fort: »Willst du uns nicht helfen, Coco wiederzufinden, Phillip? Sie war dein Freund. Sie wollte dich beschützen. Weißt du nicht, was aus ihr geworden ist?« Phillip begann am ganzen Körper zu zittern.
»Lassen Sie ihn in Ruhe!« herrschte Hayward Dorian an. »Sehen Sie nicht, daß Sie ihn quälen?« »Ich versuche nur zu rekonstruieren, was vorgefallen ist«, entgegnete Dorian ungehalten. »In diesem Haus ist ein Mensch verschwunden. In Ihrem Haus, Lord Hayward. Es wäre auch Ihre Sache, alles zu unternehmen, Coco wiederzufinden.«
»Die naheliegendste Erklärung ist, daß sie das Haus aus eigenem Antrieb verlassen hat«, sagte Hayward, aber er schien selbst nicht an diese Möglichkeit zu glauben.
»Es ist die bequemste Erklärung«, erwiderte Dorian und wandte sich wieder Phillip zu. »Erinnerst du dich daran, was passiert ist, Phillip? Warum hast du dich im Schrank verkrochen? Nenne mir den Grund, Phillip! Vielleicht könnte uns das weiterhelfen.«
»Alina!« war jedoch alles, was Phillip antwortete.
Aber plötzlich löste sich seine Verkrampfung. Er richtete sich
im Bett auf und schwang seine Beine heraus.
»Leg dich wieder hin!« bat Hayward weinerlich. »Du brauchst nach den vergangenen Strapazen Ruhe.«
Er drückte seinen Sohn gewaltsam auf das Bett zurück, aber Phillip richtete sich sofort wieder auf und versuchte, das Bett zu verlassen.
Einer plötzlichen Eingebung zufolge, sagte Dorian: »Lassen Sie ihn, Lord Hayward! Vielleicht möchte er uns auf seine Art und Weise einen Fingerzeig geben.«
Hayward ließ zögernd von seinem Sohn ab.
Phillip schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Einige Sekunden lang stand er unschlüssig da. Seine
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