031 - Der Puppenmacher
»Ohne Leiche kein Mord. Dieses Problem hat sich also von selbst erledigt. Es gibt indessen noch einige Dinge, die einer Klärung bedürfen. So würde mich zum Beispiel interessieren, wieso sich die drei Vampire ihren Unterschlupf ausgerechnet auf Ihrem Grundstück gesucht haben. Mir ist von Anfang an nicht entgangen, daß Sie mir viel verschweigen, Lord Hayward. Glauben Sie nicht, daß es an der Zeit ist, endlich die Karten aufzudecken?«
»Ich kann nicht«, sagte Hayward leise. »Um Phillips willen, lassen Sie mich in Ruhe! Vergessen Sie, daß ich Sie um Hilfe gebeten habe. Ich konnte nicht ahnen, daß Sie alles nur noch schlimmer machen würden. Sagen Sie mir, was ich Ihnen schulde, aber dann verlassen Sie mein Haus und lassen Sie sich nicht mehr blicken! Sie würden nur Verderben über Phillip bringen. Bitte, gehen Sie!« Dorian hatte Mitleid mit dem Alten, aber er konnte ihm beim besten Willen seinen Wunsch nicht erfüllen. Dabei ging es ihm nicht allein um Coco; er wollte auch Phillip helfen. Und das konnte er nicht, wenn er der Gefahr aus dem Wege ging und die Machenschaften der Dämonen ignorierte.
»So leicht werden Sie mich nicht mehr los, Lord Hayward«, sagte Dorian bestimmt. »Ich bleibe und werde diese Sache bis zur letzten Konsequenz durchstehen. Sie können mir helfen, indem Sie mir alles sagen, aber verjagen können Sie mich nicht.«
Lord Hayward blickte ihn flehend an.
Dorian hatte sich mit Phillip auf dessen Zimmer zurückgezogen, um hier auf Donald Chapman zu warten. Zwei Stunden waren vergangen, seit er die drei Vampire getötet hatte. Da klopfte es an die Tür.
Dorian öffnete. Draußen stand eine attraktive rothaarige, Frau Mitte der Dreißig. Sie hielt ein Tablett mit Sandwichs in den Händen. Bei Dorians Anblick lächelte sie kokett.
»So attraktiv hätte ich Sie mir gar nicht vorgestellt, Mr. Hunter«, meinte sie lächelnd. »Sie haben so etwas – Dämonisches an sich, das mir den Atem raubt.«
Er registrierte es ohne große Verwunderung, daß sie ihn mit seinem richtigen Namen ansprach, obwohl er sich als Holborn vorgestellt hatte. Also wußte man über seine wahre Identität Bescheid. »Sind Sie eine Angestellte Lord Haywards oder gehören Sie zu den Gästen des Hauses?« erkundigte sich Dorian unverbindlich. »Ich habe Sie noch nicht gesehen.«
»Ich heiße Pamela Bancroft.« Sie lachte. »Ich trete nur selten in Erscheinung, denn ich bin eine richtige Schlafmütze. Nur aufregende Männer muntern mich auf.« Sie reichte ihm das Tablett.
»Hier, nehmen Sie! Damit Sie bei Kräften bleiben.«
Dorian zögerte. »Ich habe eigentlich keinen Hunger.«
Sie lachte glockenhell. »Sie können die Sandwichs unbekümmert essen. Sie sind nicht vergiftet.« Dorian nahm das Tablett an sich. »Wollen Sie nicht hereinkommen?«
Pamela Bancroft schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Phillip kann mich nicht besonders leiden.« Dorian blickte zum Bett hin, in dem sich Phillip von einer Seite auf die andere warf und dabei leise stöhnte. Als sich Dorian wieder umdrehte, eilte Pamela Bancroft bereits die Treppe hinunter.
Dorian stieß die Tür mit dem Fuß zu und brachte das Tablett zum Tisch. Phillip hatte sich wieder beruhigt. Er lag mit offenen Augen auf dem Rücken; nur seine Hände bewegten sich. Die grazilen Finger tanzten über die Bettdecke und kosten einander.
Wer war Pamela Bancroft? Nach Phillips Reaktion zu schließen, gehörte sie dem Schwarzen Kreis an. Die Sandwichs sind nicht vergiftet, hatte sie gesagt Dorian glaubte ihr das.
Er nahm eines und biß herzhaft hinein. Es schmeckte. Er war hungriger, als er geglaubt hatte. Gedankenversunken aß er. Es wurde Zeit, eine Entscheidung herbeizuführen. Der Kreis begann sich zu schließen. Noch begriff er die Zusammenhänge nicht ganz, aber er war nun mehr denn je überzeugt, daß Phillip Hayward die Schlüsselfigur war. Phillip Hayward – der Hermaphrodit. Etwas Ähnliches hatte Dorian von Anfang an vermutet. Aber erst nachdem ihn Phillip zu den Särgen der drei Vampiropfer geführt hatte, besaß er Gewißheit.
Phillip war ein Zwittergeschöpf mit hellseherischen Fähigkeiten. Die Dämonen mußten ihn wie die Pest hassen, denn er konnte ihre Existenz gefährden.
Der Hermaphrodit war ein Wesen, das zwischen den Menschen und den Mächten der Finsternis stand. Deshalb konnten ihn die Dämonen auch nicht mit ihren magischen Fähigkeiten bekämpfen. Um ihn zu vernichten, mußten sie sich außerordentlicher Mittel bedienen.
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