0313 - Der Blutgraf erwacht
Amulett zuckte ein Blitz, traf die ausgestreckte Hand des Dunklen und wurde auf das Mädchen weitergeschleudert. Für Sekundenbruchteile war der schlanke Körper von einem Gewitter nadelfeines Lichtstrahlen umhüllt. Das Mädchen erstarrte mitten in der Bewegung zu einer Säule, unfähig, sich zu rühren.
Zamorra hob sein Amulett, das er umklammert hielt. Er versuchte es zum Angriff zu bewegen. Aber es gehorchte ihm nicht. Im Gegenteil, es wurde schwächer.
Hat Gryf das geahnt und mir deshalb den Stab gegeben? durchzuckte es Zamorra.
Zu weiteren Überlegungen kam er nicht, denn in einer gleitenden Bewegung zog der Unheimliche ein langes Schwert aus einer Scheide, die Zamorra bis dahin verborgen geblieben war. Übergangslos griff der Dunkle mit dem Langschwert an. Zamorra sprang zurück.
Die Klinge hätte ihn glatt durchtrennt, hätte er auch nur noch eine Zehntelsekunde gezögert.
Er fuhr den Stab, der wie ein Kugelschreiber aussah, zur vollen Halbmeter-Länge aus. Er wich weiter zurück. Der Unheimliche setzte sofort nach. Zamorra verwandelte den Stab ebenfalls in ein Schwert und parierte den nächsten Angriff. Die Klingen schmetterten gegeneinander. Stahl sang sein tödliches Lied, Funken sprühten.
Der Dunkle packte sein Schwert jetzt mit beiden Fäusten und ließ es durch die Luft wirbeln. Er legte eine fürchterliche Kraft in seine Schläge. Zamorra konnte kaum parieren. Er fragte sich verzweifelt, warum sein Amulett nicht wirken wollte. Wurde es von einer anderen Kraft beeinflußt? Steckte gar Leonardo deMontagne hinter diesem Angriff, hatte der Montagne wieder einen neuen Helfer rekrutiert, um ihn gegen Zamorra einzusetzen?
Na warte! dachte der Parapsychologe. Er hatte sich überraschen lassen. Jetzt wandte er seine Kenntnisse im Schwertkampf gezielt an.
Er wußte mit einer Klinge umzugehen, vortrefflich sogar. Oft genug hatte er in anderen Dimensionen, in barbarischen Welten oder in der Vergangenheit der Erde mit dem Schwert in der Faust um sein Leben kämpfen müssen. Er hatte in all den Jahren immer weiter dazugelernt und setzte die Tricks nun ein. Er wich mit schnellen Drehungen aus, sah zu, daß er auf dem glatten Eisen der schmalen Brücke nicht ins Stürzen kam, fintierte, wich zurück, unterlief Schläge, und ließ sein Schwert wild kreisen. Zweimal durchbrach er die Deckung des Gegners, der sich nur mit schnellen Rückwärtssprüngen in Sicherheit bringen konnte. Jedesmal, wenn das Silberstab-Schwert den fremden Bihänder traf, sprühten bläuliche Funken, und Zamorra spürte ein Kribbeln, das ihn mehr und mehr nervös machte, je länger der Kampf dauerte. Der Fremde war schier zum Bersten aufgeladen mit dunkler Magie.
»Wer bist du?« keuchte der Parapsychologe. Langsam aber sicher drängte er den Mann auf die andere Seite der Brücke zurück. Schon waren sie an dem Mädchen vorbei, das, zur Bewegungslosigkeit verdammt, mit weit aufgerissenen Augen den wilden Kampf beobachtete.
Da erst sah Zamorra, daß der andere weder einen Schatten warf noch den Boden berührte.
Ein Spukwesen?
Aber es kämpfte verdammt wirklichkeitsnah. Ein Schwerthieb riß Zamorras Jackettärmel auf. Er setzte sofort nach. Der Unheimliche rannte ein paar Meter zurück, verließ die Brücke. Zamorra sah am Flußufer ein paar Decken, Kleidungsstücke und Picknicktaschen.
Offenbar hatte das Mädchen hier im Fluß baden wollen, und es schien auch nicht allein gewesen zu sein.
Zamorra hatte plötzlich den Dreh heraus. Er mußte versuchen, den Unheimlichen zu entwaffnen. Vielleicht konnte er ihn dann niederzwingen und zur Aufgabe bringen. Was mit dem Amulett nicht gelang, mußte irgendwie anders gehen. Vielleicht brauchte er auch nur diese metallische Spinne vor der Brust des Geisterhaften zu treffen, zu zerstören, um ihm seine Kraft zu nehmen…
Da flog der Bihänder durch die Luft, dem Hornhelmträger aus der Hand geschmettert!
Ein irres Kreischen voller Grimm und Haß schlug nach Zamorras Bewußtsein, während der Unheimliche dem Fluß zufloh. Zamorra setzte ihm nach. Er holte mit der flachen Seite seines Schwertes aus, um den anderen mit einem Schlag zu betäuben. Aber im gleichen Moment, in dem er den Helm traf, ertönte ein höhnisches Gedankengelächter, und unter dem Schlag löste sich der Unheimliche einfach auf. Zamorras Schwert glitt haltlos durch ihn hindurch und hackte in den Sand.
Zamorra riß es wieder hoch. Er sah sich nach dem Bihänder um.
Der löste sich ebenfalls soeben vor seinen Augen auf.
Und
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