Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0314 - Höllentage für uns G-men

0314 - Höllentage für uns G-men

Titel: 0314 - Höllentage für uns G-men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Höllentage für uns G-men
Vom Netzwerk:
die Hunts Point Avenue in östlicher Richtung entlangging. O’Liery gehörte zu den alten Revierbeamten, die im Hunts-Point-Viertel der Bronx schon Dienst getan hatten, als es noch keine Sprechfunkgeräte gab und Radio-Streifenwagen als verrückte Utopie angesehen worden wären. Er kannte siebzig Prozent der Einwohner in seinem Streifenbezirk mit Namen.
    Es war daher nicht verwunderlich, dass er immer wieder einen Augenblick stehen bleiben musste, um alten Bekannten die Hand zu schütteln oder wenigstens einen freundlichen Gruß zu erwidern. »Hallo, Pat!«, und »Wie geht’s, Pat, alter Junge?«, waren Redewendungen, die sich auf hundert Yards zehnmal wiederholten.
    O’Liery atmete die laue Luft des warmen Abends in tiefen Zügen. Er liebte diese Streifengänge, weil er diese Stadt liebte. Hier, in, Hunts Point, am südöstlichen Rand der Bronx, kannte er jedes Haus und jeden Durchgang, jeden Hof und beinahe jeden Hund.
    An der Kreuzung mit der Bryant Avenue blieb er stehen und blickte auf die Uhr. Es war die übliche Zeit, zu der er die Kreuzung erreichte. Er nahm den Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete den Metallkasten, der an einem stählernen Laternenmast hing und das Polizeitelefon enthielt. O’Liery nahm den Hörer ab, wartete, bis sich das Revier gemeldet hatte, und sagte: »Hier ist O’Liery. Ich bin an der Kreuzung der Hunts Point und der Bryant Avenue. Keine besonderen Vorkommnisse. Gibt’s bei euch was Neues?«
    »Droben in der Watson Avenue wurden Schusswaffen aus einem Waffengeschäft gestohlen und der Verkäufer durch mehrere Messerstiche verletzt. Es ist möglich, dass die Waffen für einen besonderen Zweck gestohlen worden sind. Also halte die Augen auf, Pat!«
    »Okay. Ende!«
    Er legte den Hörer zurück in den Kasten und verschloss die Tür. Nachdem er sich aufmerksam umgesehen hatte, überquerte er die Kreuzung und wollte seinen Weg an einer kleinen Grünfläche vorbei fortsetzen. Plötzlich stutzte er, blieb stehen und kniff die Augen ein wenig zusammen, wie es Leute gern tun, die kurzsichtig sind.
    Zwischen den Büschen des kleinen Parks gab es zwei auffallende Farbtupfen. Der eine war weiß, der andere lila. O’Liery kannte sich zu gut aus, als dass er die Möglichkeit in Betracht gezogen hätte, dass es blühende Pflanzen sein könnten. Er wusste mit unumstößlicher Sicherheit, dass es in diesem Park nur rote Nelken und ein paar gelbe Tulpen gab - wenn sie nicht von Leuten ausgerissen wurden, die zu geizig waren, die Blumen von einem Gärtner zu kaufen.
    Abfälle sehen gewöhnlich nicht lila aus, sagte sich der ergraute Polizist und stieg über; die niedrige Einzäunung, Um sich zwischen den Büschen hindurchzuzwängen. Der lila Farbtupfen entpuppte sich als ein hauchdünner Damenschal. Das Weiße dagegen war ein aufgeschlagenes Buch.
    O’Liery blieb ein paar Minuten nachdenklich stehen, ohne die beiden herrenlosen Gegenstände zu berühren. Der Schal war völlig in Ordnung, und es gab keinen Grund, warum ihn ein weibliches Wesen hätte wegwerfen sollen. Der Cop zog sein Taschentuch heraus und breitete es über die Finger der rechten Hand, damit er das aufgeschlagene Buch aufheben konnte, ohne seine Fingerspuren auf den Seiten zu hinterlassen. Vielleicht war das übertriebene Vorsicht, aber O’Liery war seit Jahr und Tag daran gewöhnt, alles, was er tat, gewissenhaft zu tun.
    Vorn stand in einer steilen, unausgereiften Handschrift der Name der Eigentümerin: Corry Gibbs. O’Liery wiegte den Kopf hin und her. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild eines frühreifen Mädchens mit altklugen Augen und einer Lederjacke. Corinne Gibbs, dachte er. Sieh einer an…
    Er legte das Buch in genau derselben Stellung hin, wie er es gefunden hatte. Als er sich wieder aufrichten wollte, entdeckte er neben einem dicken Grasbüschel vier weitere Bücher. Sie lagen unordentlich durcheinander. Es konnte nicht sein, dass man sie hingelegt hatte. Jemand musste sie einfach hingeworfen oder fallen gelassen haben.
    In sechsunddreißig Dienstjahren wird man misstrauisch. O’Liery drehte sich um und lief schnell den Weg zurück, den er gekommen war. Eilig überquerte er die Kreuzung und schloss den Telefonkasten erneut auf.
    »O’Liery«, sagte er halblaut, um die vorübergehenden Passanten nicht aufmerksam zu machen. »Ich habe da eine merkwürdige Entdeckung in dem kleinen Park an der Bryant Avenue gemacht…«
    Er schilderte seinen Fund.
    »Die Bücher gehören einem jungen Mädchen?«,

Weitere Kostenlose Bücher