0315 - Der Mörder
presste das Fernrohr so gegen die Augen, dass sie schmerzten.
Aus der Garage drang das Geräusch eines Automotors, Sekunden später rollte Litmans alter Ford langsam, mit dem Heck zuerst, aus der Garage.
Der Arzt fuhr den Wagen so weit, dass er die Tore wieder schließen konnte.
»Jetzt werden sie kommen!«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, aber ich irrte mich.
Noch einmal vergingen Minuten, in denen Dr. Litman das Tor für die Wagenausfahrt in dem niedrigen Gartenzaun öffnete, den Wagen selbst aber nicht auf die Straße fuhr. Offenbar war ihm jede einzelne Handlung von dem Mörder vorgeschrieben worden, und dazu gehörte auch, dass er zwar den Motor des Fords laufen ließ, aber die Beleuchtung nicht einschaltete.
Der Arzt ging zum Haus zurück. Er stieg die Stufen der Treppe hoch, als trüge er eine schwere Last auf den Schultern. Er überquerte das Podest und öffnete die Tür vollends.
Neben mir stieß Phil, der ebenfalls ein Fernglas an die Augen presste, pfeifend den Atem aus.
»Jetzt«, sagte ich, aber ich weiß heute nicht mehr, ob ich das Wort wirklich sagte oder nur dachte.
Celia Seado kam als erste aus der Tür. Ihr Haar glänzte grell im Licht der Lampe auf dem Podest. Sie musste es auf eine primitive Art gebleicht haben. Sie trug eine Aktentasche in der Hand, und die andere hielt sie in der Tasche ihres Mantels verborgen.
Das Fernglas rückte ihr Gesicht zum Greifen nahe heran. Ich konnte jeden Zug darin sehen und die Schrammen an der Stirn und eine immer noch geschwollene Stelle am Auge, die von Dan Stowes Behandlung stammten. Mit raschen Schritten ging sie über das Holzpodest. Der harte Aufschlag ihrer Absätze war bis zu uns vernehmbar.
Ich bewegte das Fernglas. Dr. Litmans Rücken verdeckte noch die Tür, aber jetzt trat er zur Seite, und ich sah den Mörder. Ich sah sein Gesicht, die hellen Augen, die Kerbe des Mundes und die Verpflasterung der rechten Gesichtshälfte, und gleichzeitig lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken, denn Lesly Crude, der Mörder , trug den Sohn des Arztes auf dem Arm, und der Kopf des Jungen ruhte so nah an seiner Schulter, dass keine Messerklinge dazwischen Platz gefunden hätte. Das Kind schien zu schlafen. Wahrscheinlich hatten sie den Arzt gezwungen, dem Jungen ein Schlafmittel zu geben, damit er während der Fahrt ruhig blieb.
Crude machte sofort eine Drehung, als er die Tür hinter sich ließ. Er trug Tommy Litman auf dem linken Arm, und nun deckten der Körper und der ,Kopf des Kindes seinen eigenen.
Der Mörder ging die Treppe herunter. Sein Kopf und der Kopf des Kindes füllten das gesamte Sehfeld meines Fernglases. Eine Handbreit von Crudes Kopf blieb frei, die Stirn, die Nase, auch ein Stück des Kinns.
Celia Seado hatte den halben Weg zum Wagen zurückgelegt.
»Es geht nicht«, flüsterte Buster, und seine Stimme klang wie ein ganz hohles Wimmern. »Ich treffe das Kind, wenn ich versuche, Crude zu verwunden.«
Der Mörder ging mit raschen Schritten an der Haus wand entlang. Zwei, drei Sekunden, dann war seine Gestalt aus dem Lichtkreis der Lampe raus und damit nur noch in Umrissen zu erkennen. Celia Seado saß schon auf dem Beifahrersitz. Sie öffnete die Fondtür von innen. Crude stieg ein, ohne den Jungen vom Arm zu lassen.
Farrow nahm den Kopf vom Gewehrkolben.
»Verpasst!«, sagte er tonlos.
Dr. Litman stand mit hängenden Armen noch auf dem Treppenpodest. Er stand, als warte er immer noch darauf, dass etwas geschähe. Dann drehte er sich langsam um, ging mit schlurfenden Schritten ins Haus und kam mit einem zweiten Koffer in der Hand wieder zum Vorschein.
Ich sah, wie er den Arm hob, um die Außenlampe und die Flurbeleuchtung zu löschen. Es war eine Geste der Resignation.
Er trug einen zweiten Koffer zum Wagen und verstaute ihn in dem Kofferraum. Das Zuschlägen des Deckels klang wie ein Gewehrschuss.
Litman ging um den Wagen herum, stieg auf der Fahrerseite ein, und immer noch ohne Licht rollte der Ford rückwärts auf die Straße.
Noch einmal stieg der Arzt aus und schloss das Gartentor. Hinter den Scheiben des Autos sah ich die Umrisse des Mörders und der Frau, aber jetzt so undeutlich, dass ich nicht einmal zu entscheiden vermochte, ob Crude den Jungen noch auf dem Arm hielt.
Dr. Litman stieg ein, zog den Schlag zu, der Ford rollte an, und jetzt, erst flammten die Scheinwerfer auf. Wenige Sekunden später verschwand der Wagen um die nächste Ecke.
***
Ich stand in der absoluten Finsternis des
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