0317 - Das Todeslied der Unterwelt
vorgestreckten Händen tasteten wir uns vorwärts, weiter auf die Pier hinaus und auf die Lagerhalle zu, die etwa zwanzig Yard vor uns lag.
Rechts konnte man gegen das schimmernde Wasser des Flusses hin den kleinen Anbau des Schuppens, erkennen'
Links von der Lagerhalle mußte früher einmal ein Umschlagplatz für die Pennsylvania-Kohle gewesen sein.
Eine alte, verrostete und vermutlich nicht mehr brauchbare Kohlenschütte ragte mit ihrem mächtigen Gerüst noch immer in den Himmel.
Wir gingen geduckt und auf leisen Sohlen nach links, zum Turmgerüst der Kohlenschütte.
Der Fahrstuhl, mit dem früher ein vollbeladener Güterwagen emporgefahren worden war, damit er in luftiger Höhe auf die schräg geneigte Schütte ausgekippt werden konnte, von wo die Kohlen direkt in den Bauch des Schiffes rutschten, dieser Riesenfahrstuhl hing einen Yard über der Pier.
Wir kletterten hinauf und legten uns flach auf den Boden.
Wir zogen unsere Taschenlampen und die Dienstpistolen und warteten.
Wir wußten sogar ziemlich genau, worauf wir warteten…
***
»Wo ist er?« fragte Norman Pitterley, noch bevor er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Der Distriktstaatsanwalt saß hinter seinem breiten, altmodischen Schreibtisch und sah Norman verständnislos an.
»Kommen Sie erst einmal rein, Pitterley. Was ist denn los? Sie sehen ja aus, als ob Sie den Fang Ihres Lebens gemacht hätten!«
»Ich hoffe, daß ich diesen Fang bei Ihnen machen kann«, erwiderte Norman atemlos. »Ich glaube nicht, daß ich je so schnell durch die Stadt gefahren bin wie eben. Zum Glück herrscht nicht mehr viel Betrieb in den Straßen. Wo steckt er denn?«
»Zum Teufel, Pitterley, von wem reden Sie denn?«
»Von Eavens! Stuck Eavens! Sie sagten doch, daß er bei Ihnen war und Arondack reinreiten wollte!«
»Sicher war er hier. Das habe ich Ihnen doch am Telefon lang und breit auseinandergesetzt. Aber er übernachtet doch nicht in meinem Büro! Er ist mit seinem Freund Andrew gegangen. Ungefähr eine halbe Stunde, bevor ich Sie anrief.«
Norman ließ sich auf den nächsten Stuhl sinken.
»Es konnte ja nicht so weitergehen«, murmelte er.
»Weitergehen? Was?«
»Unsere Glückssträhne.«
Der Staatsanwalt runzelte unwillig die Stirn.
»Meinen Sie nicht, Pitterley, daß Sie sich mal ein bißchen deutlicher ausdrücken könnten? Oder halten Sie mich für einen Hellseher? Dann müßte ich Sie enttäuschen. Die Staatsanwaltschaft ist bei ihren Kenntnissen darauf angewiesen, daß die Kriminalbeamten mit ihr verständlich reden. Zum Beispiel Sie!«
Norman lächelte müde.
»Natürlich, Sir. Entschuldigen Sie. Ich bin ziemlich abgespannt. Es war ein heißer Tag heute - was die Arbeit anging, meine ich. Zuerst hatten wir Albert Stein vor uns. Ehrlich gesagt, ich war nahe daran, das Verhör abzubrechen. Dieser Stein kam mir immer mehr vor wie ein Fels, den nichts erschüttern kann. Und dann, ich kann mich kaum erinnern, wie es eigentlich kam, dann gelang es uns jedenfalls, den Punkt zu finden, an dem er ansprechbar war. Vielleicht war es purer Zufall. Meine Güte, wenn man stundenlang mit allen psychologischen Finessen versucht, an das Innere eines Menschen heranzukommen, dann spricht einiges dafür, daß es einem durch bloßen Zufall irgendwann gelingen muß.«
»Ich verstehe«, nickte der Staatsan- -walt. »Nehmen Sie auch eine Tasse Kaffee?« Er zeigte einladend auf die summende Kaffeemaschine, die auf einem kleinen Tisch neben seinem Sessel stand.
»O ja, gern«, sagte Norman schnell. »Es ist genau das, was ich brauchen kann.«
»Ich schenke Ihnen ein. Erzählen Sie inzwischen weiter.«
»Also heute abend fing Stein endlich an zu reden.«
»Was?« rief der Staatsanwalt überrascht. »Sagen Sie nur, dieser Killer hat ein volles Geständnis abgelegt?«
»Mehr als das, Sir. Durch ihn wissen wir jetzt bezüglich der Morde so ziemlich alles, was wir wissen müssen.«
»Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Pitterley. - Da ist Ihr Kaffee.«
»Danke, Sir.«
Einen Augenblick blieb es still, als die beiden Männer mit ernsten, fast andächtigen Mienen das heiße aromatische Getränk schlürften.
Dann setzte Norman seinen Bericht fort:
»Drei Morde wurden begangen, weil die Erben der Opfer es wollten. Fall eins ist Gloria Coster. Sie wollte ihren Mann los sein und sein Vermögen behalten. Sie ließ ihren Mann umbringen und war auf dem besten Wege, auch noch eine dicke Lebensversicherung einzustreichen.«
»Aber wie findet denn eine Frau
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