0317 - Der Seelenschmied
Michael Ullich hatte alle Mühe, das Schwert in der ungewohnten Position mit der Breitseite zu halten. Hätte der Junge die Hiebe mit der Schneide pariert, wäre die Säbelklinge glatt durchschnitten worden.
Doch dann glitt Zamorra scheinbar aus und stürzte der Länge nach hin. Das Schwert, das in diesem Moment nach vorn gestoßen wurde, stach ins Leere. Das war einer der gefährlichsten Augenblicke des einstudierten Duells.
Jetzt stand Michael Ullich breitbeinig über Zamorra, der den ersten Hieb von oben mit dem Säbel abwehrte. Planmäßig wurde ihm dabei die Waffe aus der Hand geschlagen. Dann sauste die Klinge drei Mal hinab und klirrte immer nur eine Handbreit neben Zamorras Kopf in den Boden.
Auch das war oft genug mit stumpfen Schwertern aus Holz geübt worden. Denn es mußte echt aussehen, und Zamorra warf den Kopf immer auf eine andere Seite. Dann gelang es ihm, Michael Ullich ein Bein wegzuziehen und ihn zu Fall zu bringen. Der Junge schleuderte die Waffe weg, obwohl es den Anschein hatte, daß sie ihm aus der Hand gerissen wurde. Was dann kam, war ein wilder, unkontrolliert wirkender Ringkampf.
Doch auch dieser Fight war bis zum kleinsten Detail einstudiert und hatte fast Stuntmen-Reife. In das Duell waren einige optisch sehr wirksame Catchas-Catch-Can-Griffe eingebaut, die den Piraten den letzten Funken des Mißtrauens nahmen. Nur zwei Männer, die tödlichen Haß gegeneinander empfanden, konnten sich so kompromißlos bekämpfen.
Schließlich gelang es Michael Ullich, seinen Gegner zu überwältigen. Einer der Piraten warf ihm einen Strick zu, mit dem er Professor Zamorra fesselte. Die Seeräuber gröhlten und johlten wie ein Kriegsschiff voll rothaariger Teufel vor Begeisterung. Dieser Mann war genau das, was man an Deck eines Piratenschiffes brauchte.
Ullich zerrte Professor Zamorra hoch, der stärker erschöpft schien, als es tatsächlich der Fall war, obwohl dieser einstudierte Kampf viel Kraft und Energie kostete. Auch Michael Ullich atmete heftig, sein Gesicht war gerötet und der Schweiß verklebte seine Stirnhaare.
»Hier Kapitän, ist der Gefangene!« rief er dem Schwarzen Garfield zu.
»Gut gemacht, Leutnant!« gab der Kapitän zurück. Dabei sah er Michael Ullich lange ins Gesicht. Doch der Junge hatte nichts von den Bildprojektionen gehört und ahnte auch nicht, daß der Schwarze Garfield genau wußte, daß er diesen blonden Krieger ebenfalls mit zur Insel nehmen sollte. Fehlte nur noch eine Frau – und die war nicht aufzutreiben, wie ihm Jeff Mallory eifrig versicherte. Nun, auf die würde das seltsame Wesen auch verzichten können.
Und was den blonden Jüngling anging, ließ das unbekannte Wesen hoffentlich mit sich reden. Den brauchte Garfield an Bord seines Schiffes.
Nachdenklich schob der Schwarze Garfield das Amulett des Professor Zamorra in seine Tasche und schwang sich als Letzter zum Sea-Falcon hinüber.
Dann kappte er mit einigen Säbelhieben die letzten Tampen, die den Segler mit dem Luxus-Liner verbanden.
Von einer steifen Brise getrieben, verschwand das Piratenschiff bald in der nächtlichen Dunkelheit…
***
Ein aufgescheuchter Bienenschwarm war nichts im Vergleich zu dem, was sich nun auf der »Columbina« abspielte. Alles rannte durcheinander. Redefetzen, Rufe und Schreie gellten durch die Nacht, nachdem die Piratengaleone in der Dunkelheit verschwand.
Langsam kam Jeremy Thunder wieder zu sich. Der Kapitän schien nach diesem schrecklichen Erlebnis um Jahre gealtert.
»Ich dachte, daß Ihr Professor diese menschlichen Bestien besiegen würde!« sagte er zu Nicole Duval im anklagenden Ton, nachdem es ihm gelungen war, einige Worte an die Passagiere und die Mannschaft zu richten und ihnen zu versichern, daß alles Menschenmögliche getan würde, damit jeder sein Eigentum zurückerlangte und die Piraten dingfest gemacht wurden.
»Es waren Menschen, die den Auftrag eines Dämonen erfüllten!« sagte Nicole Duval, die den Kapitän zurück auf die Brücke begleitete. »Sie sollten Zamorra und einige Leute, die ihn gut kannten, gefangennehmen. Mich haben sie nicht erkannt, weil ich heute wieder einmal meine Frisur verändert hatte. Deshalb bin ich noch auf Ihrem Schiff – und das mag helfen, daß Sie den Halunken auf den Fersen bleiben können!«
»Die sind doch verschwunden!« knurrte Kapitän Thunder. »Auf Tahiti werde ich mich mit der Hafenbehörde in Verbindung setzen und versuchen, diesen Teil der Südsee durch die Polizei absuchen zu lassen. Wenn es nicht
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