0317 - Okastras Grusel-Keller
den Militärs kam ich überhaupt nicht zurecht.
Da war es fast so gut wie unmöglich für mich, eine gemeinsame Basis zu finden. Jedenfalls war ich immer auf Schwierigkeiten und Ärger gestoßen. Eine Frage hatte ich noch.
»Weiß Claudia Darwood eigentlich, daß ich nach Campa komme?«
»Ich glaube nicht.«
»Aber sie ist dort?«
»Ja, wieder hingeflogen.«
»Es ist Ihre Entscheidung, John«, sagte Sir James.
Ich schaute auf den gelblich schimmernden Schädel. Seine Haut war seltsam stumpf, die leeren Augenhöhlen, das Loch, wo einmal die Nase gesessen hatte, kaum vorstellbar, daß es sich hierbei um den Kopf eines Menschen gehandelt hatte.
Henry Darwood war mir nie begegnet. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, und er war nur im entferntesten Sinne ein Kollege von mir gewesen.
Wenn ich nicht fuhr und es sich im nachhinein herausstellte, daß Schwarze Magie in diesem Fall mitgemischt hatte, würde ich mir für den Rest meines hoffentlich noch langen Lebens immer Vorwürfe machen.
Deshalb stimmte ich zu.
»Ich werde fliegen, Sir«, sagte ich zu meinem Chef gewandt.
Der Superintendent nickte. Es zeigte mir, daß er nichts anderes erwartet hatte.
»Auch allein?« fragte der Colonel.
»Tun Sie ihm den Gefallen, John.«
Ich wollte meinen Chef nicht enttäuschen und stimmte deshalb zu.
Der Colonel erhob sich. »Dann wären ja alle Unklarheiten beseitigt. Genaue Informationen darüber, wo sich Ihr Einsatzort befindet, habe ich Ihrem Vorgesetzten zukommen lassen. Gentlemen.« Der Oberst nahm seine Mütze und setzte sie auf. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.« An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Da wäre noch etwas«, sagte er und lächelte knapp. »Henry Darwood hatte einen Kontaktmann in der Nähe oder im Ort, ich weiß es nicht genau. Falls Sie Hilfe brauchen oder Unterstützung, wenden Sie sich an diesen Mann namens Romero Sanchez.«
Der Name war so einprägsam, daß ich ihn nicht aufzuschreiben brauchte. Den behielt ich so.
Als der Colonel verschwunden war, atmeten wir beide auf. Auch Sir James war von den Militärs nicht übermäßig begeistert. Er mochte es ebenfalls nicht, daß sie sich für den Nabel der Welt hielten.
»Dann habe ich mal wieder den Schwarzen Peter«, erklärte ich und lachte. »Wie hätte es auch anders sein können.«
»Und was halten Sie von der Sache?«
Ich hob die Schultern. »Das wird sich ja in den nächsten Tagen herausstellen. Mir paßt nur nicht, daß Suko nicht dabei sein soll.«
Sir James nahm einen Bleistift auf und drehte ihn wieder zwischen den Fingern. Dabei runzelte er die Stirn. »Ich habe dazu bewußt keinen Kommentar gegeben. Fliegen Sie allein hin, ich halte Suko in Reserve. Wenn Sie ihn benötigen, rufen Sie an.«
»Gibt es in dem Kaff Telefon?«
»Keine Ahnung.« Sir James klappte eine Mappe auf. »Was Sie an Informationen wissen müssen, habe ich hier. Der Ort liegt zwar ziemlich einsam, aber die Stadt La Coruña liegt in der Nähe. Und dort gibt es einen Flughafen.«
»Auch für Jets?« fragte ich spöttisch.
»Bestimmt nicht. Sie müssen sowieso über Madrid.« Sir James lächelte. »Und viel Zeit haben Sie auch nicht mehr. Sie kennen das Spiel ja. Das Ticket ist schon gekauft…«
***
Als kleines Mädchen hatte sie oft Angst gehabt. Wenn andere Kinder kamen und sie verhauen wollten, war Claudia Darwood stets in die Arme ihres Bruders geflüchtet, der sie dann gegen die Horde verteidigt hatte, auch wenn er dabei so manche Schramme abbekommen hatte.
Diese Erlebnisse hatten das Verhältnis der Geschwister untereinander geprägt. Jeder wußte, daß sich einer auf den anderen verlassen konnte.
Das war auch so geblieben, als beide älter wurden. Der Kontakt brach nie ab.
Nur über eines sprach Henry nicht, wenn er die Schwester besuchte.
Über seine Arbeit.
Dabei wußte Claudia, daß er für irgendeinen Geheimdienst arbeitete, doch sie hatte nie Fragen gestellt. Es gab viel wichtigere Dinge. Sie waren beide nicht verheiratet. Claudia hatte nie den richtigen gefunden, jetzt war sie mittlerweile Dreißig, im Beruf erfolgreich, sie leitete zusammen mit einem Kollegen einen Supermarkt, und dachte auch nicht mehr an eine Bindung.
Zwei bis dreimal im Jahr hatte sie sich mit ihrem Bruder getroffen und nette Tage verbracht.
Nun war er tot.
Gestorben in einem fremden Land, wie er es eigentlich immer vorausgesehen hatte.
Fern der Heimat, in Spanien, und auf eine Art und Weise, die grauenvoll war.
Man hatte ihm den Kopf abgeschlagen.
Claudia
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