0317 - Okastras Grusel-Keller
schluckte, als sie daran dachte. Ihr war der Kopf zugeschickt worden. Sie erinnerte sich genau an den Tag, als es geschehen war, und diese Tatsache hatte etwas in ihrem Leben verändert. Sie nahm Urlaub und schwor sich, den oder die Mörder ihres Bruders zu finden.
Es war nicht leicht gewesen, herauszubekommen, wo er zuletzt agiert hatte, doch wenn Claudia sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie sehr zäh sein.
Wie in diesem Fall.
Es war ein Ort im Nordwesten Spaniens, in einer verdammt windigen Ecke. Dort gab es noch zahlreiche Basken, die sich gegen die Regierung auflehnten und gegen die Henry wahrscheinlich gearbeitet hatte.
Dennoch wollte Claudia nicht so recht glauben, daß ihn die Basken auf diese schlimme Art und Weise getötet hatten.
Da mußte es noch etwas anderes geben.
Und das gab es auch.
Claudia Darwood, die es verstanden hatte, trotz ihrer geringen Spanischkenntnisse mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen, hatte von einem alten Fluch erfahren.
Ein Name war gefallen.
Okastra!
Und man hatte von einem Sarazenen-Mond gesprochen und von einem Sarazenen-Fluch.
Dinge, die sie auch bei ihrem dritten Besuch nicht unter einen Hut hatte bringen können, dennoch war sie fest entschlossen, diesmal nicht ohne einen Erfolg abzureisen.
Von dem wenigen, was sie wußte, deutete jedoch einiges auf den Friedhof hin. Er lag auf einem Berg, über dem Dorf. Ein alter verlassener Totenacker, über den die Einheimischen schlimme Dinge erzählten, denn dort sollte das Unheil wohnen. Angeblich gab es unter dem Friedhof noch einige gefährliche Kasematten und Kammern, die sich die unheimlichen Mächte als Wohnstätte ausgesucht hatten.
Tagsüber war der Friedhof völlig normal. Da gingen die alten Frauen hin und stellten karge Feldblumen auf die Gräber. Des Nachts allerdings war der Friedhof verlassen.
Claudia Darwood wurde das Gefühl einfach nicht los, daß der Friedhof und der Tod ihres Bruders in einem unmittelbaren Zusammenhang standen. Ein Taxifahrer, der ihren Bruder kannte, hatte ihr erzählt, daß er Henry Darwood fast bis an den Friedhof gefahren hatte.
Von diesem Zeitpunkt an war jede Spur verwischt.
Claudia hatte sich den Friedhof natürlich einige Male angesehen.
Leider nur flüchtig, doch bei ihrem dritten Besuch wollte sie ihn genauer unter die Lupe nehmen.
Sie war am Nachmittag den Weg hochgefahren. Der kleine R4 besaß Vorderantrieb und war für diese engen Wege gut geeignet. Im Schatten einer Felswand hatte sie den Wagen stehengelassen, war auch in die Kapelle gegangen und hatte ebenfalls die Gräber untersucht.
Auf den Grabsteinen standen Namen, die ihr nichts sagten. Es waren die Toten aus Campa, die hier unter der trockenen, steinigen Erde begraben lagen.
Auch am Tage machte der einsame Friedhof auf die junge Frau keinen guten Eindruck. Irgendwie schien er ihr nicht geheuer zu sein. Obwohl sich niemand in der Nähe befand und sie auch kein ängstlicher Mensch war, wurde sie ein Gefühl der Beklemmung nicht los. Vielleicht lag es auch daran, daß ihr Bruder hier zum letztenmal gesehen worden war, jedenfalls rieselte ein Schauer über ihren Körper, als sie die kleine Kapelle verließ und ihren Fuß wieder auf den mit kleinen Steinen übersäten Grund setzte. Sie wandte sich nach links, denn dort befand sich die äußerste Grenze des Totenackers.
Diese Ecke Spaniens war nicht mit der Costa del Sol oder der Costa Brava zu vergleichen. Hier herrschte ein völlig anderes Klima. Der Atlantik lag nicht weit entfernt. Ein steifer Wind wehte vom Meer herüber und ließ den grauen Stoff der Windjacke knattern.
Claudia steckte die Hände in die Taschen. Sie trug das rotbraune Haar lang. Der Wind griff wie mit Händen in die Flut, hob sie hoch und drückte sie nach hinten, während Claudia sich gegen ihn anstemmte und auf den Klippenrand zuschritt.
Genau dort endete der Friedhof!
Es ging zwar nicht steil in die Tiefe, aber die Hänge waren doch sehr felsig und mit kargem Gras bewachsen. Später liefen sie in Hügeln aus, die dann zu einer Ebene wurden, wobei sie in Strandnähe wieder anstieg und dort endete, wo die Wellen des Atlantiks seit Urzeiten gegen das Land geschleudert wurden.
Der Himmel war bedeckt. Am Morgen hatte es ein wenig geregnet.
Aber noch immer hingen die dicken Wolken über ihr, und sie kamen ihr vor wie eine Herde von Raubtieren.
Die Luft war kalt. Claudia konnte das Meer riechen. Dieser salzige Geruch vermischte sich mit dem der allmählich verfaulenden
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