0317 - Okastras Grusel-Keller
Blumen auf den Gräbern und war für einen Friedhof irgendwie typisch.
Zu den Hängen hin war eine Mauer gebaut worden. Kniehoch und aus den Steinen, die hier zu häuf gefunden wurden. Sie bildete die Grenze des einsam liegenden Bergfriedhofs.
An der Mauer blieb Claudia stehen.
Sie schaute in die Ferne, sah in die hügelige Ebene hinein und weit hinten ein einsam stehendes Gehöft.
Wo befand sich ihr Bruder?
Diese Frage quälte Claudia. Sie wollte sich einfach nicht damit abfinden, nur seinen blanken Schädel gesehen zu haben. Irgendwo mußte es noch einen Körper geben, und den wollte sie finden, so schaurig und schrecklich dies auch für sie werden würde.
Wo konnte man eine Leiche verstecken?
Im Dorf?
Claudia hatte mal hinten herum danach gefragt, doch keine Antwort bekommen, demnach mußte der Körper an einem anderen Platz liegen.
Eigentlich wäre der Friedhof dafür ideal.
Und deshalb suchte Claudia ihn ab.
Schon zum zweitenmal schritt sie ihre Runde. Ihr fielen die Grabsteine auf, die so kunstvoll gehauen worden waren. Vor allen Dingen war es einer, der von den anderen abstach.
Da stand ein Engel, der seine Arme ausgebreitet hatte. In der einen Hand hielt er ein Schwert, in der anderen einen Totenschädel, der täuschend echt nachgearbeitet worden war.
Vor diesem Grabstein blieb sie stehen.
Claudia wußte selbst nicht, aus welchem Grunde sie dies tat. Es war ein Gefühl, das sie einfach zwang. Sie hatte bei den Gesprächen mit den Dorfbewohnern zudem erfahren, daß dieser Friedhof noch ein Geheimnis barg. Unter den Gräbern sollte es tief im Fels Kasematten oder geheimnisvolle Verliese geben, die für die Bewohner der Umgebung früher einmal als Fluchtstätte gedient hatten, jetzt allerdings verlassen waren. Doch es ging ein Gerücht um.
Okastra!
Ein Sarazenen-Krieger hatte diese Kasematten entdeckt, war in sie eingedrungen und hatte grausame Taten vollbracht. Keiner der Geflüchteten hatte damals überlebt.
Eine schreckliche Geschichte, die man auch nur ungern Fremden erzählte.
Claudia Darwood stand da und starrte auf den Engel. Aus Stein war er gehauen worden, und ihr Blick blieb am Gesicht der Figur haften.
Claudia hatte schon oft Engelfiguren gesehen, da sie sich für Kunst interessierte, aber nie einen Engel, der ein so seltsames Gesicht besaß.
In der Regel waren die Gesichtszüge dieser Figuren so gut es eben möglich war, sehr weich gezeichnet und auch nachgebildet. Bei diesem hier war es nicht der Fall. Obwohl der Stein schon starke Verwitterungserscheinungen zeigte, konnte man die Züge dennoch gut erkennen und auch den seltsamen Ausdruck darin.
Es war kein guter Ausdruck, sondern das Gegenteil.
Ein böser…
Die Frau bohrte ihre Blicke in das Gesicht. Sehr lange schaute sie hinein, und sie hatte das Gefühl, als würden sich die Steinzüge verändern. Es war ein Lächeln oder eine Grimasse, die ihr der seltsame Engel da zeigte, vielleicht bildete sie sich alles nur ein, und sie wischte über ihre Augen.
Die Bewegung unter ihren Füßen war keine Einbildung.
Claudia merkte den plötzlichen Ruck, als das Grab einsackte. In der letzten halben Stunde war kein Laut aus ihrer Kehle gedrungen, nun konnte sie einen Schrei nicht unterdrücken.
Mit einem hastigen Satz sprang sie zurück und erreichte einen festen Untergrund.
Dort blieb sie stehen. Sie merkte selbst, daß sie am gesamten Körper zitterte, denn vor ihren Augen geschah etwas Unheimliches.
Die Erde öffnete sich.
Von unten her mußte eine Kraft gegen den Stein drücken oder ziehen, und so entstand eben die Öffnung, aus der etwas Seltsames hervorquoll.
Es war Nebel!
Aber kein Nebel, wie sie ihn kannte, sondern seltsame bläuliche Schwaden, die wolkenartig in die Höhe stiegen und so dicht waren, daß sie eine Sicht auf den Engel vernebelten.
Claudia rührte sich nicht.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie Ähnliches erlebt. Sie merkte ihren Herzschlag überdeutlich. Das Blut strömte schneller durch ihre Adern, und in ihrem Kopf hatte sich ein dumpfes Brausen ausgebreitet, das unter der Schädeldecke hämmerte.
Ohne einen direkten Beweis dafür zu haben, war Claudia sicher, daß dieser unheimliche Vorgang unmittelbar etwas mit dem Tod ihres Bruders zu tun hatte.
Der Nebel besaß keine natürliche Ursache.
Sie erinnerte sich wieder an die Geschichten. Unter dem Friedhof sollte es die alten Kasematten geben, die Gange und Verliese. Angeblich ohne Leben.
In diesen schrecklichen Augenblicken glaubte Claudia nicht
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