0317 - Okastras Grusel-Keller
auch. Wir müssen abwarten, was geschieht, wenn Ihr Bekannter mit dem Toten zurückkehrt.«
»Dann werden Sie es auch noch nicht glauben.«
»Das könnte uns passieren.«
Claudia nahm einen Schluck Wein. »Wann endlich wachen die Menschen hier auf? Es gibt etwas in ihrer Nähe, das ist fürchterlich. Sie stehen praktisch mit beiden Füßen darauf und tun einfach nichts. So etwas kann ich nicht begreifen.«
Sie stellte das Glas ab und schaute zu Boden. Die anderen Gäste hatten sich zusammengesetzt und sprachen flüsternd. Bei ihnen hockte auch der Bodegero. Hin und wieder warf er einen Blick zu Claudia und Aldo hinüber. Wahrscheinlich hielt er die beiden für Spinner.
Der Boden der Bodega war mit Holzbrettern ausgelegt. Da sie oft gewischt und gescheuert wurden, glänzten sie hell und manchmal auch grau. Und die bewegten sich normalerweise nur, wenn jemand über sie herschritt und sie mit einem Gewicht belastete.
Doch Claudia sah, daß sie sich von allein bewegten!
Und dies zwei Schritte vor ihr. Von unten her wurde gedrückt, die Bohlen begannen regelrechte Wellen zu werfen, und dann passierte es.
Ein Splittern, Krachen und Bersten!
Der Druck war zu stark geworden. Latten flogen in die Höhe, auch Claudia wurde getroffen.
Sie merkte den Schlag kaum, denn sie hatte nur Blicke für die Öffnung vor ihren Füßen.
Dort schob sich etwas hervor. Ein Skelett!
Zuerst kam die knöcherne Klaue. Sie war zur Faust geballt, schimmerte bleich und gelblich, und als sich die Faust öffnete, geschah, dies wie im Zeitlupentempo.
Claudia Darwood wunderte sich, daß sie einfach sitzenblieb und gar nichts tat. Sie konnte es nicht. Mit dem Stuhl schien sie eine Einheit zu bilden.
Sie starrte nur auf das Skelett.
Der Schädel sah so aus wie der ihres Bruders, den man ihr geschickt hatte. Fast die gleiche Farbe und auch die leeren Augenhöhlen, die Nasenlöcher, der Mund…
Ihr kam es vor, als hätte sie schon Minuten da gesessen und nur gestarrt. Dabei stimmte es nicht. Nur Sekunden waren vergangen.
Claudia hatte nur, wie auch die anderen, eben nicht reagiert.
Das änderte sich.
Plötzlich brüllte der Wirt los, während er gleichzeitig in die Höhe sprang und die Arme hochriß.
»Die Hölle! Verdammt, es ist die Hölle, die sich auf getan hat! Die verfluchte Hölle! Wir sind verloren, wir sind…«
»Sei ruhig!« schrie Aldo ihm entgegen. »Ihr habt es nicht glauben wollen. Jetzt kommt das Unheil. Okastra entläßt das Grauen aus seinem Horror-Keller…«
In der Tat kam das Grauen.
Ein lebendes Skelett, und es dachte nicht daran, wieder zurück in die Tiefe zu steigen.
Es kam höher!
Sogar geschmeidig, als wäre es kein Gerippe, sondern ein Mensch. Die eine Klaue griff plötzlich nach Claudias Fuß, aber die Frau reagierte schneller und zog den Fuß zurück.
Mit dem anderen trat sie zu.
Sie hämmerte ihre Hacke auf den Knochen, hörte ihn brechen, und plötzlich war die Hand verdreht und gekantet. Claudia starrte darauf und fühlte sich im nächsten Augenblick von zwei Händen gepackt. Sie dachte an ein weiteres Monstrum, begann zu schreien und vernahm die Stimme des alten Aldo.
»Sei ruhig, Mädchen, ganz ruhig. Ich bitte dich!«
Sie sackte zusammen. Aldo hielt sie fest. Es war bewundernswert, welch eine Kraft noch in seinen Armen steckte.
Die anderen taten nichts.
Sie waren nur aufgesprungen, hatten einen Halbkreis gebildet, in dessen Mitte der Bodegero stand, und starrten auf das grauenvolle Skelett, das die Öffnung bereits verlassen hatte, stehenblieb, dann einknickte und gegen die Kante des Tisches fiel, an dem das Mädchen vor kurzem noch gesessen hatte.
Der Knöcherne kippte nicht um. Er hielt sich auf den Beinen, und sein Schädel drehte sich.
Aldo ließ Claudia los. Auf dem Tisch lag noch das Messer. Den Käse hatten sie damit geschnitten. Der Alte riß die Klinge an sich und stellte sich dem Knöchernen.
»Geh du zurück!« flüsterte er Claudia zu. »Geh weg! Sonst wird es dich vernichten!«
»Aber!«
»Lauf!«
Die anderen Gäste rührten sich noch immer nicht. Manche schlugen Kreuzzeichen, das war alles.
Claudia aber ging zur Tür. Es kam ihr vor, als stünde sie in einem Traum, in einer anderen Welt und nicht in der Realität. Noch nie zuvor hatte sie ihre Beine so steif bewegt, und als sie gegen einen im Weg stehenden Stuhl stieß, zuckte sie zusammen.
Sie drückte sich daran vorbei, während Aldo vorging und auf das Skelett zuschritt.
Das Messer hielt er in der rechten Hand. Die
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