0317 - Okastras Grusel-Keller
Brenn ihm die Kugel in den Pelz, diesem Hundesohn.«
Ich stand da wie die Steinfigur hinter mir. Der Wind fuhr gegen mich, er war kalt. Brachte er schon die Kälte des Todes mit?
Diese Männer vor mir kannten keine Gnade. Sie würden mit mir abrechnen, vor allen Dingen Paco.
Er löste sich jetzt vom Fleck.
Plötzlich huschte er zur Seite, geriet aus meinem Blickfeld, so daß ich nur auf seine Schritte achten konnte.
Ich hörte sie hinter mir.
Dabei starrte ich Sarrazan an. Er wich meinem Blick nicht aus. Sein Gesicht war hart verzogen, der Mund bildete einen Strich. Wie eingemeißelt standen die Falten darin, die tief in seine Haut schnitten.
»Du hättest dich nicht wehren sollen«, sagte er. »Nein, das hättest du nicht tun sollen. Jetzt mußt du dafür die Rechnung zahlen.«
»Was hättest du denn an meiner Stelle getan?« fragte ich.
»Weiß ich nicht.«
Die Schritte hinter mir waren verstummt. Aber ich wußte, daß Paco sich in meiner Nähe aufgebaut hatte. Ich hörte ihn zwar nicht, doch ich fühlte ihn und spürte plötzlich seinen Atem, der warm über meinen Nacken streifte.
Er war sehr nahe.
Ich schluckte ein paarmal. In meinem Magen zog sich einiges zusammen, um den unsichtbaren Kloß der Angst zu bilden. Kalt rann es meinen Rücken hinab, und ich vernahm Pacos flüsternde Stimme, die mich wie ein Windhauch erreichte.
»Hast du Angst, Engländer?«
»Ja.«
»Ah, du gibst es zu, willst also nicht den Helden spielen. Finde ich sogar gut, hilft dir aber nichts. Da du ja nichts sehen kannst, Engländer, will ich dir erklären, was ich mache. Ich habe jetzt mein Messer gezogen, und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du für alle Zeiten gezeichnet sein. Jeder soll das Mal der Basken in deinem Gesicht sehen. Dann bist du für uns ein Vogelfreier, zum Abschuß freigegeben, und in diesem Land kann dich jeder töten. Diese Strafe ist schlimmer als eine schnelle Kugel, glaub es mir. Ich habe Männer gesehen, die weinten, flehten und bettelten, nur um das Mal nicht zu bekommen. Sie wollten lieber sterben, da kannte ich kein Pardon…«
Ich war weder Spanier, Südfranzose noch Baske. Mich brauchte dieses verdammte Mal nicht zu interessieren, ich wollte nur mit heilen Knochen aus dieser vermaledeiten Situation herauskommen, aber das sah mieser als mies aus.
Hätte ich auch nur geahnt, in welch eine Auseinandersetzung ich hier hineingeraten würde, mein Gott, ich hätte alles darangesetzt, um Suko mitzunehmen. Noch jetzt verfluchte ich diesen Colonel Snyder und seine dumme Geheimnistuerei, die mir vielleicht das Leben kosten konnte, ohne daß ich einen Erfolg errungen hätte.
Keiner meiner Freunde und Kollegen im fernen London ahnte etwas von der Lage, in der ich mich befand.
Das Kribbeln auf meinem Rücken verstärkte sich. Vor mir stand Sarrazan.
Er hatte die Augen leicht zusammengekniffen und öffnete sie plötzlich weiter.
Ein Zeichen?
Genau!
Hinter mir vernahm ich das Pfeifen. Leicht nur, vom Wind fast verschluckt, dennoch so markant.
Der Schmerz!
Auf einmal war er da. In meinem Nacken befand sich das Zentrum, breitete sich blitzschnell aus, und ich merkte, daß ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
Das Zittern begann in den Knien, die Kraft verließ mich, und die Gestalt des Sarrazan begann zu schwanken, als stünde der Mann auf den Planken eines Segelschiffs.
Ich fiel.
Niemand fing mich auf.
Obwohl ich das Gefühl hatte, schnell zu kippen, kam die Erde nur langsam auf mich zu. Als ich den dumpfen Aufschlag vernahm, wollte ich kaum glauben, daß ich es gewesen war, der ihn verursacht hatte.
Paco war ein Profi. Der hatte gewußt, wohin und mit welcher Wucht er zu schlagen hatte, denn ich wurde nicht bewußtlos, war nur paralysiert, konnte mich also nicht bewegen.
Dafür hörte ich ihn.
Paco lachte.
Ein dreckiges, gemeines und gleichzeitig triumphierendes Lachen, das über seine Lippen drang. Neben mir raschelte etwas, denn der Mann hatte sich vorbewegt.
Ich lag mit dem Gesicht in der kalten Graberde. Kleine Blätter stachen gegen meine Haut. Den Dreck spürte ich auf den Lippen, die Krumen drangen in meinen Mund. Als ich die Zähne bewegte, knirschte es, und mein Hals war völlig ausgetrocknet.
Auch Sarrazan kam vor. Ich hörte ihn und merkte ebenfalls, wie ein Schatten über mich fiel.
Neben meinem Kopf blieb er stehen. Fast berührten die Fußspitzen meine Stirn.
Wieder sprach Paco. »Dreh ihn herum. Du hast bisher nichts getan. Dann mach wenigstens das.«
»Willst
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