0318 - Auf der Straße des Grauens
die auf dem Thekentisch lag. Die Kanone hielt sie mit der gleichen Wirkung in Schach wie ein guter Hund eine Herde Schafe.
Phil hielt den Telefonhörer am Ohr und jagte eine Anordnung nach der anderen durch den Draht.
»Okay«, sagte er schließlich, legte auf und wandte sich mir zu.
»Die Jungs von den Streifenwagen sind unterwegs, aber ich rechne nicht mit einem Erfolg. Wenn er in der 30. Straße vor ihren Augen verschwindet, werden sie ihn in der Dunkelheit erst recht nicht aufstöbern können. Er hat Vorsprung genug.«
Ich hielt ihm den Ring unter die Nase.
»Den trug er in der Tasche.«
Phil blickte überrascht auf den Ring. Er lachte hart auf.
»Und damit saß er uns sieben Stunden lang gegenüber«, sagte er. »Ich habe seine Nerven unterschätzt.«
Ich kaufte mir den Besitzer der Kaschemme, einen hageren Mann mit einem knochigen Gesicht.
»Mit wem sprach der Mann, der vor fünf Minuten in Ihrem Laden war?«
»Habe niemanden gesehen«, knurrte er Ich hielt ihm den FBI-Ausweis unter die Nase.
»Der Mann liegt auf der Straße. Er wurde vor unseren Augen überfahren. Wollen Sie unter dem Verdacht der Beihilfe festgenommen werden?«
In seinem Gesicht zuckte es.
»Habe nichts damit zu tun«,'sagte er hastig. »Er wollte jemanden hier treffen.«
»Wen?«
Er zögerte mit der Antwort.
»Okay, reden wir im Hauptquartier weiter darüber.«
»Unnötig, G-man!«, stieß der Kaschemmenwirt hervor. »Er fragte nach Ramy River.«
Ich pfiff durch die Zähne. Mit einem Schlag schien die Begegnung zwischen uns und dem kleinen Hafengangster in Harveys Andenkenladen kein Zufall gewesen zu sein.
»Trafen Sich River und der Mann öfter hier?«
»Ich schätze, etwa ein Dutzend Mal in den letzten zwei Monaten.«
Aus einer Eingebung heraus fragte ich: »Waren sie allein, oder war auch noch jemand anders bei ihnen?«
Der Kneipenbesitzer kratzte sich die Bartstoppeln.
»Später kamen sie immer allein«, antwortete er, »aber als sie zum ersten Mal in meinem Laden auftauchten, da war noch ein Mädchen bei ihnen.«
»Dunkelhaarig?«, fragte ich, denn ich dachte an Jane Snyder.
»Nein, eine Blondine, ein Hellblonde.«
»Wissen Sie, wo River zu finden ist?«
Er schüttelte den Kopf.
»Das weiß ich wirklich nicht, G-man!«
***
Ich wusste,es eine Stunde später. Im Hafenbezirk war Ramy River eine ziemlich bekannte Persönlichkeit. Es genügte, in ein paar Nightclubs und Bars des Viertels nach ihm zu fragen.
Es stellte sich heraus, dass er in gewissem Sinne zwei Wohnungen besaß. Die eine lag in der Nähe des 48. Piers, in der Perry Street; die andere auf dem Pier selbst und war eine der flüchtig errichteten Holzbaracken, wie sie Schiffsmakler benutzten. Zu welchem Zweck River eine solche Baracke brauchte, mochte der Teufel wissen.
Wir fuhren zuerst zum Pier. Wir entdeckten Rivers blauen Ford vor einer Holzbaracke. Hinter dem einzigen Fenster der Bude schimmerte Licht.
Die Tür war verriegelt. Ich hämmerte mit der Faust dagegen.
»Schert euch zum Teufel«, schrie eine Männerstimme. Es war Rivers Stimme, aber er sprach mit schwerer Zunge, er lallte geradezu.
»Mach auf, Ramy!«, rief ich. »FBI!«
Es schien ihm die Sprache zu verschlagen, aber dann klirrte ein Schlüssel. Die Tür wurde geöffnet.
River war betrunken, dass er sich am Türrahmen festhalten musste. Er trug keine Jacke. Das Schulterhalfter baumelte unter seiner Achsel. Während er sich mit der linken Hand gegen den Türrahmen stützte, hielt er in der rechten eine schwere Pistole.
»Tatsächlich, mein Freund, der G-man«, lallte er.
Phil trat auf ihn zu und drehte ihm mit einer Bewegung, die sanft wirkte, und doch rasch und energisch war, das Schießeisen aus der Hand.
River ließ es geschehen. Er lachte.
»Musst du mir doch wiedergeben. Mein Waffenschein ist prima und echt. Ein Hilfssheriff in Clarson stellte ihn mir aus.«
Er lachte noch einmal in der sinnlosen Lustigkeit des Betrunkenen.
»Trinken wir einen auf den Sheriff.«
Er stieß sich von der Wand ab und torkelte in den Raum hinein. Auf dem Tisch standen zwei Flaschen Whisky und ein Glas.
»Ihr trinkt nicht aus Flaschen, wie? Na ja, ich hole Gläser. Eis haben wir nicht.«
Er segelte zu einem Schrank hinüber, öffnete mit unsicheren Bewegungen die Türen, fischte zwei Gläser heraus und ließ dabei eines fallen. Er zerschellte am Boden.
River kicherte. »Scherben bringen Glück! Kann’s gebrauchen.«
Er nahm ein neues Glas, peilte den Tisch an und startete zum
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