032 - Das Schädelhaus im Todesmoor
deinetwegen keinen Ärger kriegen.«
»Kriegt ihr schon nicht, es ist alles geregelt«, sagte der Unscheinbare grinsend. »Meine Güte, seid ihr zu beneiden. Euch winkt die Freiheit. Ein armes Schwein wie ich kriegt so viel Zaster nie zusammen, um…«
»Mir kommen gleich die Tränen«, sagte King Hayworth frostig.
»Was hast du uns zu bestellen?«
»Ihr begebt euch morgen, 15 Uhr, in die Gefängnisbibliothek.«
»Und?«
»Das Fenster rechts neben der Tür hat angesägte Gitterstäbe, ein Seil hängt runter. Ihr braucht keine Akrobaten zu sein, um da hinunterzukommen. Zuvor nehmt ihr den ersten Band von Lord Byrons gesammelten Werken aus dem Regal.«
»Was finden wir darin?« fragte Danny McGuire.
»Einen Plan, in den eure Fluchtroute eingezeichnet ist.«
»Ist das alles?« fragte McGuire. »Dafür mußte jeder zehn Riesen ausspucken?«
»Laß mich mal«, sagte King Hayworth zu seinem Komplizen.
»Was ist mit den Aufsehern?« fragte er den Unscheinbaren. »Die werden nicht seelenruhig dabei zusehen, wie wir türmen. Sie werden Alarm schlagen.«
»Kennt ihr Gene Kidley und Jimmy O’Neill?«
»Ja«, sagte Hayworth.
Der Unscheinbare nickte. »Die beiden werden eine Schlägerei inszenieren und damit die Aufmerksamkeit der Aufseher auf sich lenken. Bis die merken, daß ihr abgehauen seid, habt ihr schon einen beruhigenden Vorsprung.«
»Wird man uns auch helfen, unterzutauchen?« fragte Hayworth.
»Ihr geht nach Torceston. Ein Mann namens Henry Lindsay wird euch weiterhelfen.«
»Wo finden wir ihn?«
»Das steht auf der Rückseite des Plans. Viel Glück. Mann, ich beneide euch.«
Nach diesem Gespräch verbrachten Danny McGuire und King Hayworth eine schlaflose Nacht. Sie fieberten der Stunde entgegen, die ihnen die Freiheit wiederbringen würde.
Sie sprachen viel von dem, was sie alles tun würden, wenn sie wieder draußen waren. Im Morgengrauen fragte Hayworth:
»Wirst du zu deiner Frau und ihrem Liebhaber gehen?«
»Klar«, sagte McGuire grinsend. »Ich hab’s ihnen schließlich versprochen, und was Danny McGuire verspricht, das hält er auch.«
»Sobald die Bullen wissen, daß du frei bist, werden sie sich bei Sally und ihrem Freund auf die Lauer legen.«
»Das wird den beiden nichts nützen. Ich werde vorsichtig sein, und ich werde die beiden kriegen. Erst wenn das erledigt ist, hab’ ich wieder Ruhe.«
»Und dann?«
»Ich werde wieder ins Geschäft einsteigen… Neuer Name, neues Gesicht… Und ich werde mir überlegen, wie ich mir meine zehntausend Pfund wiederholen kann. Wenn du Lust hast, kannst du mir dabei helfen.«
»Mal sehen«, sagte King Hayworth. »Wir sollten versuchen, noch ein bißchen zu schlafen.«
»Kann ich nicht, ist mir unmöglich, ich bin viel zu aufgeregt.«
»Dann halt die Klappe, damit wenigstens ich noch kurz ein Auge zutun kann.«
McGuire schwieg zwar, aber Hayworth konnte nicht einschlafen.
Um sechs Uhr ging der Rummel los. Frühstück wurde ausgeteilt.
McGuire wollte es nicht essen, doch Hayworth riet ihm, keine Mahlzeit auszulassen.
Sie mußten topfit sein, wenn es losging. »Mit leerem Magen ist man leicht reizbar«, sagte King Hayworth.
Also aß McGuire sein Frühstück und auch das Mittagessen. Danach wollte die Zeit nicht mehr vergehen. McGuire stöhnte. »So war ich noch nie auf die Folter gespannt.«
»Denkst du, ich stehe nicht unter Strom?« erwiderte Hayworth.
McGuire schüttelte bewundernd den Kopf. »Du machst einen gelassenen, eiskalten Eindruck.«
King Hayworth wies auf seine Brust. »Ja, aber da drinnen sieht’s ganz anders aus.«
McGuire versuchte sich an seinem Freund ein Beispiel zu nehmen. Er zwang sich zur Ruhe, rieb sich hunderte Male die feuchten Handflächen an der Hose trocken und blickte ebenso oft auf seine Uhr.
14.45 Uhr.
Ein Aufseher brachte sie mit einigen anderen Häftlingen in die Gefängnisbibliothek. »Ich schlag’ den zweiten Bildungsweg ein«, sagte King Hayworth grinsend zu dem Mann, der neben ihm ging.
»Ruhe!« knurrte der Aufseher. »Niemand redet!«
Du armes Würstchen! dachte Hayworth. Wenn du wüßtest, daß ich eine Kanone unterm Hemd trage, würden deine Zähne wie spanische Kastagnetten klappern! Ich könnte dich jetzt auf der Stelle abknallen! Niemand könnte es verhindern! Du solltest ein bißchen freundlicher zu mir sein, denn dein Leben liegt in meiner Hand!
Gene Kidley und Jimmy O’Neill befanden sich bereits in der Bibliothek. Zwei vierschrötige Kerle, die bekannt dafür waren, daß sie
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