032 - Das Schädelhaus im Todesmoor
nicht friedlich sein konnten.
Irgendwo gab es im Gefängnis immer eine Schlägerei, und zumeist nahmen Kidley und O’Neill daran teil. Das brachte ihnen zwar immer wieder eine Reihe von Strafverschärfungen ein, aber sobald sie das hinter sich hatten, ging’s gleich wieder rund.
Kidley nickte Hayworth kaum merklich zu. Seine Augen wiesen zum Fenster, aber auch dorthin, wo Lord Byrons gesammelte Werke im Regal standen. Zwei Häftlinge arbeiteten hier als Bibliothekare.
Einen davon schnappte sich Kidley in diesem Augenblick. Er packte ihn vorn am Hemd und zerrte ihn hoch. »Du willst mich wohl verarschen!« brüllte er.
»Sag mal, spinnst du?« erwiderte der Bibliothekar.
»Ich laß mir doch von dir keine Märchenbücher andrehen! Wofür hältst du mich?«
»Entschuldige, aber…«
»Kidley!« Die Aufseher eilten herbei. »Lassen Sie den Mann los!«
»Hörst du nicht? Hast du was mit den Ohren?« mischte sich Jimmy O’Neill ein. »Loslassen sollst du ihn!«
»Du hältst dich gefälligst aus meinen Angelegenheiten raus, sonst mach’ ich Hackfleisch aus dir!«
»Das möchte ich sehen!« bellte O’Neill und schlug zu.
Die beiden klopften sich nach allen Regeln der Kunst ab. Die Aufseher vermochten sie nicht zu trennen. Geschickt verstanden es O’Neill und Kidley, andere Häftlinge in ihren Kampf mit einzubeziehen.
Im Handumdrehen war eine Massenschlägerei im Gange, bei der es nicht mehr wichtig war, wer angefangen hatte. Es zählte nur noch, daß man die Geschichte besser überstand als der andere.
King Hayworth grinste. »Was mögen O’Neill und Kidley wohl dafür gekriegt haben?«
»Interessiert mich nicht. Komm.«
Danny McGuire eilte zum Bücherregal. Er schnappte sich von den gesammelten Werken Byrons Band eins und schlug ihn auf.
Ein zusammengefaltetes Blatt Papier fiel ihm in die Hände.
Er warf das Buch auf den Boden, trat achtlos drauf und begab sich zu Hayworth, der inzwischen die angesägten Gitterstäbe vom Fenster entfernt hatte. Es ging ganz leicht. Eine Arbeit für Kinder.
Die Perfektion, mit der die Organisation die Flucht vorbereitet hatte, war angenehm und lobenswert. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Alles war bis ins kleinste Detail geplant worden.
An einem Gitterstab, der von der Metallsäge verschont geblieben war, war ein Seil befestigt. An diesem kletterte nun King Hayworth als erster hinunter.
Sobald seine Füße festen Boden unter sich hatten, hielt er das Seil fest, um dem Komplizen das Klettern zu erleichtern. McGuire schwang sich aus dem Fenster.
Er blickte noch einmal zurück und sah, wie aus der Bibliothek mehr und mehr ein Trümmerfeld würde. Männer keuchten, Fäuste krachten gegen Kinnladen, Stühle und Karteikartenkästchen dienten als Wurfgeschosse.
Daß in diesem Tumult zwei Häftlinge ausrückten, fiel niemandem auf. McGuire turnte hastig nach unten. Sie befanden sich jenseits der Gefängnismauer.
In einer Höhe von eineinhalb Metern ließ McGuire das Seil los.
Sobald er neben dem Freund gelandet war, sagte dieser: »Los! Nichts wie weg von hier! Du weißt, sie haben auf den Mann dressierte scharfe Hunde!«
Geduckt rannten sie los. Bald boten ihnen Büsche und Bäume Schutz. Ein dichter Wald nahm sie in sich auf. Da sie das anfängliche Tempo niemals durchhalten konnten, liefen sie langsamer, und schließlich blieb King Hayworth keuchend stehen.
»Jetzt mal den Plan befragen«, sagte er zu McGuire.
Der Komplize holte das Papier aus seiner Tasche. Er entfaltete es. Hayworth stellte sich neben ihn und studierte mit ihm den eingezeichneten Fluchtweg.
»Hier sind wir«, sagte McGuire und wies auf die entsprechende Stelle.
»Und dorthin müssen wir«, bemerkte King Hayworth und zeigte auf Torceston. »Dazwischen liegt ein teilweise verdammt unwegsames Gelände. Es gibt in dieser Gegend viele tückische Sümpfe.«
»Die wir mit Hilfe des Plans alle umgehen werden«, sagte Danny McGuire.
»Hüte den Plan wie einen Schatz«, sagte Hayworth.
»Worauf du dich verlassen kannst.«
Sie setzten ihre Flucht fort, und ihr Vorsprung war beruhigend.
Als endlich im Zuchthaus bemerkt wurde, daß zwei Häftlinge fehlten, hatten Hayworth und McGuire bereits zwei gefährliche Sümpfe hinter sich.
Gene Kidley und Jimmy O’Neill wurden zum Gefängnisdirektor gebracht, wo sie energisch bestritten, etwas mit der Flucht der beiden Häftlinge zu tun zu haben.
Niemand konnte ihnen das Gegenteil beweisen. Es gab für sie die üblichen Strafen: Einzelhaft, hartes
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