032 - Das Schädelhaus im Todesmoor
mit Bernard Hale viele endlose Diskussionen.
Hale wirkte ein bißchen tolpatschig; jedenfalls machte er auf mich diesen Eindruck. Seine Steifheit hatte etwas Hilfloses an sich, doch ich hatte den PSI-Professor schon kämpfen gesehen und wußte, daß er sich sehr gut verteidigen konnte, wenn er angegriffen wurde.
Mit Chao Kai hatte ich in letzter Zeit einige Jogging-Runden im Hyde Park gedreht, und er hatte mir einige Karatetricks beigebracht, die ich noch nicht kannte.
Wir verstanden uns sehr gut, und wir duzten uns seit kurzem.
Es hatte sich einfach ergeben. Wer damit angefangen hatte, weiß ich heute nicht mehr.
Hale war zehn Jahre älter als ich. Vermutlich siezte ich ihn deshalb immer noch. Das Angebot, ihn zu duzen, hätte von ihm kommen müssen, doch daran dachte er nicht.
Nicht deshalb, weil er zu hochnäsig war, sondern einfach deshalb, weil es ihm nicht in den Sinn kam.
Ich hatte Bernard Hale heute vormittag angerufen und mich erkundigt, ob ich mal auf einen Sprung vorbeikommen dürfe.
»Selbstverständlich, Tony«, hatte der Parapsychologe erwidert.
»Sie wissen, daß Sie in meinem Haus jederzeit willkommen sind.«
So war ich eine halbe Stunde später bei ihm eingetrudelt, und ich hatte mich gefreut, daß auch Chao Kai anwesend war. Mir fiel auf, daß die beiden in einer Aufbruchsstimmung waren.
»Habt ihr vor, zu verreisen?« fragte ich, auf das Gepäck weisend, das neben der Tür stand.
»Ja«, sagte Hale.
»Menschenskind, und da sagen Sie mir am Telefon nicht, ich solle ein andermal kommen?«
»Das kann ich doch nicht. Wie würde das denn aussehen? Es würde mir niemals einfallen, Sie dermaßen vor den Kopf zu sto- ßen, Tony.«
»Ich wette, Sie haben die Abreise meinetwegen verschoben.«
»Ach was, wir freuen uns, Sie zu sehen. Nicht wahr, Chao Kai?«
Der Chinese nickte. »Wir freuen uns sehr.«
»Das darf wohl nicht wahr sein«, sagte ich und setzte mich.
»Wohin soll die Reise denn gehen?«
»Dartmoor«, sagte Bernard Hale.
Ich grinste. »Ins Zuchthaus? Habt ihr beide etwas ausgefressen?«
»Wenn ich das Ziel der Fahrt präzisieren wollte, müßte ich Torceston sagen«, bemerkte der Parapsychologe. »Aber das kennen Sie vermutlich nicht.«
»Wer sagt das?« erwiderte ich. »Ich kenne mich in dieser Gegend sehr gut aus. Kennen Sie Bodmoor?«
»Ich glaube, das ist ein Nachbarort von Torceston.«
»Sehen Sie, und dort war ich vor einem halben Jahr ziemlich aktiv.«
»Tatsächlich?«
Ich nickte. »Phorkys schuf in dieser Gegend einen Zyklopen namens Zakatta. Ich kämpfte gegen ihn und die Mitglieder der Zyklopensekte. Es war nicht leicht, Zakatta für immer zur Hölle zu schicken… Was führt Sie nun nach Torceston?«
»Möchten Sie einen Drink?« fragte der Parapsychologe, statt auf meine Frage zu antworten. Manchmal war er sehr sprunghaft.
Ich schüttelte den Kopf. »Ist noch zu früh für mich.«
»Einen kleinen Pernod? Das ist doch Ihr Lieblingsgetränk, oder? Die Flasche wartet seit Wochen auf Ihren Besuch.«
»Ich komme ein andermal wieder. Dann machen wir sie zusammen leer, okay?«
»Wie Sie wollen.«
»Was wollen Sie in Torceston, Bernard? Dort bellen die Hunde mit dem Schwanz.«
»Ich habe mal wieder eine Berechnung angestellt… Chao Kai, würden Sie bitte das Buch bringen?«
»Sofort, Professor.« Der Chinese entfernte sich, während Bernard Hale seine komplizierten Skizzen und Berechnungen auf dem Tisch ausbreitete.
Ehrlich gesagt, ich tappte noch im dunkeln. Chao Kai brachte ein altes Buch mit vergilbten Blättern. Er legte es neben die Unterlagen des Parapsychologen und schlug es auf.
Nachdem er kurz geblättert hatte, fiel mein Blick auf eine Federzeichnung, die mich sofort in ihren Bann schlug. Unter der Zeichnung stand: »Das Schädelhaus im Todesmoor«.
Ich sah einen riesigen steinernen Todesschädel inmitten einer unheimlichen Moorlandschaft, umwallt von düsteren Nebeln. Der Schädel war ein Haus mit einer Tür und mit vergitterten Augen, den Fenstern.
»Wer darin gern wohnt, der kann geistig nicht ganz gesund sein«, sagte ich.
»Dieses Haus stand einst in der Nähe von Torceston«, sagte Hale.
»Stand?«
»Es verschwand eines Tages. Die Menschen behaupteten, es wäre im Sumpf versunken. Das Moor trocknete aus, die Stätte verlor ihr Grauen.«
»Wer wohnte in diesem Schädelhaus?« wollte ich wissen.
»Ein grausamer Schwarzblütler namens Murdock Vidor. Man nannte ihn auch die Bestie. Er war in der Lage, sich in ein schreckliches Ungeheuer
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