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032 - Seelenträger

032 - Seelenträger

Titel: 032 - Seelenträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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3486/7 Rotationen nach Ei'don
    Ein kalter Schauer durchströmte Quan'rills Körper, als er ins Hydrosseum, dem gesellschaftlichen Herzstück der Stadt eintauchte. Die Stunde der Entscheidung war gekommen. Von dem Urteil des Tribunals hing es ab, ob er weiterleben durfte oder weichen musste.
    Wenn auch noch niemand wusste, wie man ihn aus Mer'otas Körper vertreiben sollte, ohne dem Jungen körperlichen Schaden zuzufügen. Dieses Wissen verschaffte ihm ein Gefühl der Zuversicht, aber die Anspannung blieb.
    In der Eingangskuppel drehten sich die Botaniker, die noch mit dem Fußbodenrelief beschäftigt waren, neugierig zu ihm um. Jeder von ihnen wusste wer er war und was heute verhandelt wurde.
    Mit kräftigen Flossenschlägen steuerte Quan'rill den Durchgang zur oberen Etage an. Was für ein herrliches Gefühl, die Erfahrung eines Weisen, aber den Körper eines Zwanzigjährigen zu besitzen. Wer diese perfekte Symbiose zerstörte, versündigte sich an Ei'don persönlich.
    Oder war es Gotteslästerung, was er getan hatte?
    Die beiden Wächter am Aufgang packten ihre Schockstäbe fester, als sie ihn erkannten. Sie fixierten ihn wie einen gefährlichen Eindringling, doch Quan'rill ließ die feindseligen Blicke von sich abprallen wie die Stacheln eines Seeigels. Die Flossenkämme der beiden begannen zu leuchten, als sie sein spöttisches Grinsen sahen.
    »Folgen Sie mir bitte«, schnarrte der Linke von ihnen ungewöhnlich schrill.
    »Ich habe den Auftrag, Sie direkt vor den HydRat zu bringen.«
    Quan'rill machte eine joviale Geste, um sein Einverständnis zu demonstrieren.
    Er wusste, dass er die beiden Kerle mit Leichtigkeit überwältigen konnte, wenn er es seinem muskulösen Gastkörper befahl. Doch das brachte ihn im Moment nicht weiter. Er musste die Einwohner von Hykton für seine Sache gewinnen, nicht gegen sich aufwiegeln.
    Er folgte dem Wächter durch das Loch in der Kuppeldecke in die zweite Etage, in der es weitaus geschäftiger zuging.
    Ringsum befanden sich die Bionetiklabore, in denen die fähigsten Wissenschaftler des Allatis forschten. Hier, bei seinen ehemaligen Kollegen, würde er hoffentlich bald einen neuen Platz finden.
    Zügig schwammen sie dem dritten Stock entgegen, in dem die politischen Entscheidungen gefällt wurden.
    Das Mittelschott war geschlossen, als wollte man sich vor ungebetenem Besuch schützen. Der Wächter presste seine Flossenhand in eine kaum wahrnehmbare Vertiefung in der Decke. Ein mattes Licht glühte durch die Schwimmhäute auf, während seine Identität abgetastet wurde.
    Summend teilte sich das runde Struktanschott. Um die Dramatik zu steigern, wartete Quan'rill, bis die beiden Halbkreise ganz in der Zwischendecke verschwunden waren, bevor er hindurch schwamm.
    Er wurde bereits von drei Wächtern erwartet, die nervös mit ihren Schockstäben spielten. Ihre furchtsamen Blicke bewiesen, dass sie nur auf eine falsche Bewegung warteten, um sie gegen ihn einzusetzen. Es hielten sich immer noch hartnäckige Gerüchte, dass er jederzeit den Körper eines anderen Hydriten in seine Gewalt bringen könnte. Natürlich war das blanker Unsinn.
    Sein ganzes Mühen und Streben war darauf ausgelegt, seinen Geist so stark wie möglich in Mer'otas Körper zu verankern. Schließlich war er hochzufrieden mit ihm.
    Der HydRat erwartete ihn im obersten Stockwerk, der aus einer mit Feuerkorallen verkleideten Sphäre im Durchmesser von zwanzig Metern bestand. Die Mitglieder des Tribunals hatten sich im oberen Drittel hinter ihren Kanzeln versammelt und blickten streng herab, als er durch die Bodenschleuse schwebte. Zum ersten Mal wurde Quan'rill bewusst, wie furchteinflößend die Szenerie für einen Delinquenten war. Früher, in seinem alten Körper, hatte er selbst auf andere herab geblickt und über sie zu Gericht gesessen.
    Obwohl dieses Leben erst vor kurzem verstrichen war, schien seitdem eine Ewigkeit vergangen zu sein. Vielleicht weil er sich nicht mehr an die letzten Rotationen erinnern mochte, die von Krankheit und Siechtum gekennzeichnet waren.
    »Na, seid ihr alle da?«, rief er den Weisen entgegen.
    Frechheit war ein Teil seiner neuen, jungen Persönlichkeit. Zufrieden registrierte er das empörte Blubbern des Tribunals.
    »Keine Unverschämtheiten, Angeklagter Mer'ota«, wies ihn der HÖCHSTE zurecht. »Ihnen werden schwere Vergehen zur Last gelegt!«
    Rab'sol, immer noch der gleiche humorlose Teufelsrochen, dachte Quan'rill.
    Er grinste den grauhäutigen Hydriten mit den weißen

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